Der Mathematiker Gottlob Frege 1848 – 1925) gab auf die Frage, was Denken eigentlich ist, eine bemerkenswerte Antwort. Außerdem stammen von ihm einige philosophische Beiträge, die es in sich haben. Markus Gabriel erklärt: „Frege versteht Denken als das Erfassen von Gedanken. Zu denken heißt, Gedanken zu haben.“ Ein Gedanke ist Gottlob Frege etwas, das wahr beziehungsweise falsch sein kann. Gedanken sind wahrheitsfähig. Darin ähneln sie Aussagen. Denkt man, so nimmt man laut Frege Kontakt mit Gedanken auf. Dank dem Denken ist der Mensch also imstande, Wahres oder Falsches zu erfassen. Es ist die Schnittstelle zwischen dem eigenen Selbst und dem Wirklichen. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.
Gottlob Frege unterscheidet konsequent zwischen Wahrheit und Für-wahr-Halten
Ganz wie vor ihm Aristoteles und vor diesem bereits Platon spricht Gottlob Frege davon, das der Mensch Gedanken fasst. Er verwendet also eine haptische Metapher, um anzuzeigen, dass der Mensch mit einer Gedankenwelt beziehungsweise einer Ideenwelt buchstäblich in Berührung steht. Gottlob Freges Einsicht an dieser Stelle lautet, dass man Gedanken auch unabhängig davon erwägen kann, dass man sie für wahr hält. Einen Gedanken zu denken heißt nicht, ihn für wahr zu halten.
Damit unterscheidet Gottlob Frege konsequent zwischen Wahrheit und Für-wahr-Halten. Diesen Unterschied bezeichnet Markus Gabriel als Objektivitätskontrast: „Er besteht überall dort, wo man zwischen der Wahrheit und damit den Tatsachen und unseren Meinungen über diese unterscheiden kann.“ Demselben Gottlob Frege verdankt die Philosophie eine Erinnerung an die ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks „Sinn“. Ein Sinn ist eigentlich eine Richtung. Manche kennen das vielleicht aus Italien, wo die Einbahnstraße „senso unico“ heißt.
Der Mensch zeigt in Gedanken auf Wirkliches
Ein Sinn zeigt damit in eine Richtung. Wenn die Gegend, die ein Sinn markiert, die Gegenstände enthält, die er in Aussicht stellt, hat man es mit Wahrheit zu tun. Diese Grundidee Gottlob Freges vertritt auch Ludwig Wittgenstein in seiner „Logisch-philosophischen Abhandlung“. Dort notiert er in der ihm eigentümlichen Kürze als Satz 3.144: „Sachlagen kann man beschreiben, nicht benennen. (Namen gleichen Punkten, Sätze Pfeilen, sie haben Sinn.)“
Gegenstände, über die ein Mensch nachdenken kann, lassen sich antreffen. Die Art und Weise, wie er Gegenstände antrifft, ist ein Sinn. Der Mensch zeigt in Gedanken auf Wirkliches. Das liegt nicht an der psychologischen Verfassung des Menschen und auch nicht an seiner neurobiologischen Ausstattung. Vielmehr steht er in Kontakt mit einem von diesem Kontakt unabhängigen Wirklichen, weil die menschlichen Sinne Informationen erfassen, die sie nicht selber hervorbringen. Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel
Von Hans Klumbies