Markus Gabriel stellt sich dem Problem mit dem Ich

Was ist das Problem mit dem Ich? Markus Gabriel weiß, worum es sich dabei handelt: um das Subjekt des Wissens. Ein Ich zu sein heißt, etwas zu wissen und es mitteilen zu können. Es bedeutet aber keineswegs, mit sich selbst allein zu sein und wiederum wie ein Homunculus im Gehirn zu hausen. Damit ist für Markus Gabriel schon einmal klar: „Ich ist nicht Gehirn.“ Johann Gottlieb Fichtes Ich-Philosophie bricht dadurch in sich zusammen, dass man die Frage stellen kann, wie eigentlich das Ich mit der Natur zusammenhängt. Zu Johann Gottlieb Fichtes Lebzeiten hat als Erster der Meisterdenker der Romantik, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, den alles entscheidenden Einwand formuliert. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Die Natur wacht gleichsam im Menschen auf

Die Naturphilosophie stellt sich die Frage, wie die Natur beschaffen sein muss, wenn irgendwann im Laufe ihrer Entwicklung Wesen entstehen konnten, welche die Entwicklung der Natur begreifen können. Überlegungen dieser Art sind heute unter dem Stichwort des „anthropischen Prinzips“ bekannt. Das anthropische Prinzip bezieht sich auf die Einsicht, dass das beobachtbare Universum offensichtlich für die Entwicklung von Lebewesen geeignet ist, die dieses Universum beobachten. Denn Menschen sind ja solche Wesen, die sich innerhalb des Universums entwickelt haben.

Markus Gabriel erklärt: „Metaphorisch wird das so ausgedrückt, dass die Natur im Menschen gleichsam aufwacht und zum Bewusstsein ihrer selbst gelangt, eine urromantische Metapher, die der amerikanische Philosoph Thomas Nagel in ausdrücklicher Anlehnung an Friedrich Wilhelm Joseph Schelling in seinem jüngsten Buch „Geist und Kosmos“ wieder aufnimmt.“ Es ist in der Tat ein bemerkenswerter Umstand, dass Menschen überhaupt imstande sind, die Natur zu verstehen. Denn es gibt keine Indizien dafür, dass die Natur wortwörtlich darauf gewartet hat, dass sich geistige Lebewesen entwickeln, die beginnen, die Naturgesetze zu entziffern.

Die Evolution führt zu gar nichts

Das es geistige Lebewesen gibt, scheint jedenfalls nicht notwendig zu sein, das heißt, man kann sich leicht einen alternativen Verlauf der Evolution von Lebewesen auf der Erde ausmalen, in dem niemals geistige Lebewesen entstanden wären, die versuchen, die Natur und ihre eigene Stellung in ihr überhaupt zu begreifen. Es ist freilich schon irreführen, wenn man an dieser Stelle davon spricht, dass die Evolution geistige Lebewesen hervorgebracht habe. „Die Evolution“ ist ja lediglich der Name für Vorgänge der Entstehung der Arten, die man mittels der Evolutionstheorie beschreibt.

Markus Gabriel erläutert: „Die Evolution ist weder ein Uhrmacher noch sonst irgendein Macher, sie tut überhaupt nichts, weil sie weder ein Subjekt noch irgendeine sonstige Person mit blinden Absichten ist, sondern lediglich unser Sammelname für komplexe Vorgänge der Entstehung von Arten, die sich mit Hilfe der Evolutionstheorie besser erklären lassen als mit jeder bisher da gewesenen Alternative.“ Allerdings liest man manchmal, die Evolution tue dies oder jenes oder habe zu diesem oder jenem geführt. Das ist Unsinn, das die Evolution zu gar nichts führt. Quelle: „Ich ist nicht Gehirn“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies