Es gibt unendlich viele Arten von schönem Leben

Die Menschheit hat inzwischen eine unfassbare Menge von Wissen angehäuft. Deshalb ist es für Maria Popova ein Rätsel, warum die Menschen trotzdem der Illusion des Getrenntseins, des Andersseins erliegen. Diese Verblendung muss der Pastor und Bürgerrechtsaktivist Martin Luther King durchschaut haben, als er vom unausweichlichen „Netz wechselseitiger Beziehungen“ sprach. Und auch der große amerikanische Dichter Walt Whitman sah sie, da er schrieb, dass „jedes Atom, das zu mir gehört, genauso gut zu dir gehört“. In ihrem Buch „Findungen“ erkundet Maria Popova Lebensgeschichten aus vier Jahrhunderten, die miteinander verwoben sind. Sie beginnt bei dem Astronomen Johannes Kepler und endet bei der Meeresbiologin Rachel Carson, dessen Werk als Katalysator für die heutige Umweltbewegung gilt. Die Bulgarin Maria Popova ist eine in den USA wohnhafte Autorin, Intellektuelle und Kritikerin. Sie ist bekannt als Gründerin der Online-Plattform Brain Pickings.

Leben verflechten sich mit anderen Leben

Maria Popova porträtiert Menschen, deren Beitrag in Wissenschaft und Kultur die Wahrnehmung und Wertschätzung der Welt für immer verändert hat. Darunter befinden sich die beispielsweise die Astronomin Maria Mitchell und die Bildhauerin Harriet Hosmer. Sie haben Frauen den Weg in die Wissenschaft und die Kunst geebnet haben. Basierend auf diesen Lebensgeschichten versucht Maria Popova die großen Fragen der Gegenwart zu beantworten. Wie kann man eine Gesellschaft nachhaltig verändern und was macht persönliches Glück aus?

Maria Popova schreibt: „Unser Leben lang versuchen wir auszumachen, wo wir enden und der Rest der Welt beginnt.“ Viele Menschen reißen ihr Standbild des Lebens aus der Gleichzeitigkeit der Existenz. Dabei halten sie an Illusionen von Beständigkeit, Gleichförmigkeit und Linearität fest. Laut Maria Popova werden Leben jedoch parallel und senkrecht gelebt, nicht linear ergründet, sondern in vielseitigen, vielschichtigen Diagrammen erfasst. Leben verflechten sich mit anderen Leben.

Vom Menschen wird nur der Staub der Sterne übrig bleiben

Für Maria Popova gibt es unendlich viele Arten von schönem Leben. So viel von der Schönheit, so viel von dem, was das menschliche Streben nach Wahrheit antreibt, ergibt sich aus unsichtbaren Verbindungen. Diese können bestehen zwischen Ideen und Disziplinen. Aber auch zwischen der Innenwelt aller Pioniere und den Spuren, die sie auf den Höhlenwänden der Kultur hinterlassen. Bevor das Fackellicht einer Revolution den neuen Tag erhellt, begegnen sie sich in der Dunkelheit, mit kaum mehr als einem verschwörerischen Nicken.

Alle begeisterten Leser wissen, dass es kein Katalogsystem für das Babel des Geistes gibt. In gewisser Weise hat Maria Popova jedes Buch, das sie jemals gelesen hat, und jeden Gedanken, den sie jemals gedacht hat – das heißt alles von ihr – in das Projekt „Findungen“ eingebracht. Maria Popov schließ ihr Buch mit folgenden Sätzen: „Die Atome, die sich für einen kosmischen Wimpernschlag um den Schatten eines Ichs versammelten, werden in die Meere zurückkehren, die uns geschaffen haben. Was von uns bleiben wird, sind uferlose Samen und der Staub der Sterne.“

Findungen
Maria Popova
Verlag: Diogenes
Gebundene Ausgabe: 886 Seiten, Auflage: 2020
ISBN: 978-3-257-07127-6, 28,00 Euro

Von Hans Klumbies

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