Das Vermögen ist sehr ungleich verteilt

Nettovermögen bedeutet, dass von den Vermögen die Verbindlichkeiten abgezogen werden. Marcel Fratzscher nennt Beispiele: „Das können Konsumentenkredite für das Auto sein oder eine Hypothek für die Wohnung oder das Haus.“ Dieses Nettovermögen ist für viele Menschen wichtig, nicht nur, um einen Kredit von der Bank für dringend benötigte Ausgaben erhalten zu können. Sondern es dient auch für die Vorsorge im Alter. Umfragen zufolge schätzen die Deutschen im Durchschnitt, dass die 40 Prozent mit dem geringsten Vermögen knapp zehn Prozent des gesamten privaten Nettovermögens besitzen. Die Wahrheit ist jedoch ganz anders. Die unteren 40 Prozent haben lediglich ein Prozent des gesamten privaten Nettovermögens. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Pfandleihen haben Hochkonjunktur

Mehr als zehn Prozent der Deutschen sind sogar netto verschuldet, haben mehr Verbindlichkeiten als Vermögenswerte. Pfandleihen haben Hochkonjunktur. Denn Menschen tauschen ihr Handy oder das Erbstück der Oma in dringend benötigtes Geld ein. Dabei haben sie die Hoffnung, es in den kommenden Monaten irgendwie wieder auslösen zu können. Marcel Fratzscher weiß: „Oft entpuppt sich die erhoffte Überbrückung als dauerhafter Verkauf – nicht immer zu den besten Konditionen.“

Auch Privatinsolvenzen und Zwangspfändungen sind immer häufiger an der Tagesordnung. Und dann gibt es viele, die zwar nicht mit Schulden kämpfen, aber mit ihrem Geld gerade so über die Runden kommen. Es reicht gerade, um die Ausgaben zu bestreiten, es bleibt aber nichts übrig, was zur Seite gelegt werden kann. Den Lebensunterhalt zu bestreiten, verschlingt jeden Euro. Eine Wahrnehmungslücke beschreibt die Kluft zwischen dem, was ist, und dem, was Menschen glauben, wie es ist.

Reichtum betrachtet man in Deutschland mit Skepsis

Diese Wahrnehmungslücke ist in Bezug auf Vermögen besonders groß. Die allermeisten Menschen realisieren nicht, dass fast 40 Prozent der Deutschen praktisch kein Vermögen haben, und noch weniger, was das bedeutet. Marcel Fratzscher ergänzt: „Wir überschätzen aber nicht nur die finanzielle Lage der Menschen am unteren Ende der Vermögensskala. Wir haben auch Schwierigkeiten, unsere eigene Position richtig einzuordnen.“ Etwa 83 Prozent der Deutschen glauben, sie gehören zur ärmeren Hälfte der Bevölkerung, also zu der Hälfte, die weniger Vermögen hat als die andere Hälfte.

Nur 17 Prozent nehmen korrekt wahr, dass sie zur reicheren Hälfte gehören. Vielleicht wollen es einige auch nicht realisieren, denn Reichtum betrachtet man generell in Deutschland mit einem gehörigen Stück Skepsis. Nicht nur der CDU-Politiker Friedrich Merz, sondern viele mit sehr hohem Einkommen würden sich selbst gerne als Teil der Mittelschicht sehen. Aber was die Deutschen wohl alle gemeinsam haben: Sie realisieren nicht, wie wenig Erspartes viele Menschen haben. Quelle: „Geld oder Leben“ von Marcel Fratzscher

Von Hans Klumbies