Beziehungen können als die Hölle erlebt werden

Die positiven gesundheitlichen Auswirkungen der Sozialkontakte eines Menschen decken nicht das gesamte Spektrum des täglichen Miteinanders ab – und dies gilt insbesondere für Paarbeziehungen. Manfred Spitzer erläutert: „Wissenschaftliche Studien zeigen immer wieder, dass Alleinsein der „Killer Nr. 1“ ist und dass verheiratete Menschen länger leben als unverheiratete, aber ganz so einfach, wie es scheint, ist die Sache nicht.“ Der positive Effekt einer langfristigen Paarbeziehung oder Ehe muss beispielsweise nicht in der guten Partnerschaft begründet liegen, es könnte sich auch um einen Selektionseffekt handeln: Gesündere Menschen heiraten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als Kranke, und allein deswegen können verheiratete Menschen gesünder sein. Es könnte zudem auch sein, dass verheiratete Menschen über mehr Ressourcen verfügen, denn im Vergleich zum Singledasein hat die Ehe ökonomische, psychosoziale und gesellschaftliche Vorteile. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.

Nicht jede Ehe ist der Gesundheit zuträglicher als keine Ehe

Zu diesen beiden sicherlich vorhandenen Effekten – Selektion und Ressourcen – kommt jedoch immer auch die zwischenmenschliche Beziehung selbst und deren Qualität – der wichtigste Aspekt einer jeden Paarbeziehung. Jeder kennt Paarbeziehungen, deren Auswirkungen auf die Gesundheit man als „ungünstig“ bezeichnen muss, um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken. In einer Studie heißt es: „Zwar sind Verheiratete im Allgemeinen gesünder als Unverheiratete, aber nicht jede Ehe ist der Gesundheit zuträglicher als keine Ehe.“

„Du machst mich krank.“ Diesen Satz wird daher der eine oder andere aus dem Munde seines Partners schon vernommen haben. Wahrscheinlich kann sich sogar nur eine kleine Minderheit beziehungserfahrener Menschen glücklich schätzen, den Satz noch nie gehört zu haben – ganz gleich, ob achtlos bei einem emotional aufgeladenen Disput dem anderen entgegengeschleudert oder als Fazit einer gescheiterten Beziehung besonnen geäußert. Als Psychiater mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung weiß Manfred Spitzer nur zu gut, dass Beziehungen als die „Hölle“ erlebt werden können.

Frauen bewerten ihre Paarbeziehung negativer als Männer

Jede einzelne Paarbeziehung ändert sich mit den Jahren: Positive Emotionen nehmen ab, und negative Emotionen nehmen zu – so zumindest ist es im Durchschnitt. Man muss das zur Kenntnis nehmen, egal ob es einem gefällt oder nicht. Dennoch gibt es selbstverständlich durchaus auch Charakteristika von Paarbeziehungen, welche die Zeit überdauern: Eheleute teilen mehr als Freunde und Bankkonto, nämlich aus die Mahlzeiten, Schlafenszeiten, den engsten umgebenden Lebensraum, viele gemeinsame Aktivitäten und Verpflichtungen wie beispielsweise die gemeinsamen Kinder.

All dieses bildet den Nährboden sowohl für gegenseitige Hilfe und Unterstützung als auch für Konflikte und Streitereien. Studien belegen, dass Frauen insgesamt stärker auf ihre Beziehung reagieren als Männer. Bei einer ungut verlaufenden Beziehung leiden sie demzufolge auch stärker. Frauen reagieren jedoch nicht nur intensiver auf eine Beziehung, sondern erleben und bewerten ihre Paarbeziehung zudem ganz allgemein negativer als Männer. Quelle: „Einsamkeit“ von Manfred Spitzer

Von Hans Klumbies