Tiere können urteilen und irren

Ob Tiere denken, Verstand haben oder irren können, ist mit mindestens zwei Problemen verbunden. Einerseits mit der Bedeutung von Konzepten und Begriffen, mit denen die Wissenschaft komplexe Sachverhalte beschreibt. Andererseits mit der methodischen Schwierigkeit, die den Handlungen von Tieren zugrunde liegenden mentalen Prozesse aufzudecken. Ludwig Huber erklärt: „Ob Tiere irren können, hängt also einerseits davon ab, ob wir einen strengen Urteils- und Irrtumsbegriff anlegen.“ Dann kommt man nämlich zu dem Schluss, dass Tiere, weil sie keine propositionellen Einstellungen bilden können, weder urteilen noch irren können. Wenn man die Begriffe jedoch etwas weiter fasst, kann man durchaus davon sprechen wollen, dass Tiere urteilen und irren. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Für René Descartes sind Tiere „aufgezogene Uhren“

Andererseits rührt ein Problem vom allgemeinen Unwissen her, wie Tiere handeln, Problem lösen. Und spezifischer, auf welcher Ebene Tiere Entscheidungen treffen oder diese korrigieren. Ob Tiere denken können, war auch Gegenstand vieler Kontroversen von Philosophen der Neuzeit. René Descartes spricht zum Beispiel von Tieren als „aufgezogene Uhren“. Dabei nimmt dabei eine absolute Grenzziehung zwischen Menschen und Tieren vor. Obwohl er Tieren nicht die lebenserhaltenden Funktionen abspricht, hält er sowohl eine vegetative als auch eine sensitive Seele für überflüssig.

Die automatenhafte Konzeption von tierischem Verhalten entspringt seiner mechanistischen Auffassung alles Lebendigen. Selbst der Mensch wäre ohne Geist nur eine bloße „Gliedermaschine“. Ludwig Huber ergänzt: „Obwohl er Tieren Wahrnehmungen und Empfindungen zugesteht, beharrt er auf einer radikalen anthropologischen Differenz zwischen Mensch und Tier. Gut konstruierte Maschinen wären von Tieren nicht unterscheidbar. Auch sie könnten Bewegungen ausführen, als ob sie eine Seele hätten. Und dennoch verhalten sich beide vorhersehbar und unflexibel.“

David Hume spricht Tieren Denken und Vernunft zu

Bei den englischen Empiristen wie etwa John Locke sind die Unterschiede in den geistigen Fähigkeiten zwischen Menschen und Tieren deutlich geringer als bei René Descartes. Er hält fest, dass der Unterschied zwischen klugen Tieren und dummen Menschen weit geringer sein könne als zwischen klugen und dummen Menschen. Auch für David Hume scheint keine Wahrheit offenkundiger, als dass Tiere, genauso wie der Mensch, mit Denken und Vernunft ausgestattet sind.

Für David Hume sind die Gründe in diesem Fall so offensichtlich, dass sie nicht einmal dem Dümmsten und Unwissendsten entgehen könnten. Ludwig Huber fragt: „Wie kommt es nun, dass einige der größten Denker der Geschichte in der Frage des Denkens von Tieren so weit auseinanderliegen?“ Ganz offensichtlich beruht diese Diskrepanz nicht auf der Verwendung unterschiedlicher Fakten und Beobachtungen. Sondern sie beruht auf der unterschiedlichen Verwendung der Begriffe und variierenden methodologischen Auffassungen. Quelle: „Das rationale Tier“ von Ludwig Huber

Von Hans Klumbies