Pflichtbewusste halten sich an unverbrüchliche Grundsätze

Während Lebenskünstler und Genießer zuallererst von ihrem eigenen Wohlbefinden ausgehen beziehen Pflichtbewusste von Anfang an das Wohlergehen ihres Mitmenschen in ihre Handlungsentscheidung ein. Ludger Pfeil ergänzt: „Der andere kann dabei als abstrakte Allgemeinheit (die Gesellschaft, die Menschheit) auftreten, sich aber ebenso gut im konkreten Gegenüber manifestieren, mit dem man in enger persönlicher Beziehung steht.“ Ursprünglich soll das Wort „Pflicht“ gar nicht viel mehr als „Gemeinschaft“ bedeutet haben, aber heute hört es sich nach unliebsamen Zwang an und führt bei manchen zu allergisch anmutenden Reaktionen der Abwehr. In einem gesellschaftlichen Umfeld, das die universelle Selbstverwirklichung predigt und das Auskosten der Genüsse schätzt, ist Pflichtbewusstsein nicht sexy. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

Marcus Tullius Cicero unterscheidet vier Kardinaltugenden

Die Vermehrung des Lebensmodells des Pflichtbewussten ist aufgrund der ständigen Einbuße an Attraktivität nicht mehr gesichert. Der pflichtbewusste Moralpraktiker könnte zur bedrohten Art werden. Dabei hätte eigentlich fast jeder einen pflichtbewussten Menschen zum Freund. Denn er ist verlässlich, dem ein einmal gegebenes Versprechen als heilig gilt und der darum nur zusagt, was er unbedingt zu erfüllen bestrebt ist. Ludger Pfeil erklärt: „Pflichtbewusste halten sich an unverbrüchliche Grundsätze und setzen klare Prioritäten, die nicht immer zu ihren Gunsten ausfallen.“

Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) verfasste ein drei Bücher umfassendes Werk „Von der Pflichten”. Die Aufgaben des Menschen ergeben sich für ihn aus der Natur, die auf das moralisch Gute ausgerichtet sei. Darum bestehe naturgemäßes Leben darin, sich in den vier Kardinaltugenden Klugheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Besonnenheit zu vervollkommnen. Marcus Tullius Cicero unterscheidet lebensklug zwischen „durchschnittlichen“ Pflichten, die man von jedermann verlangen kann, weil es sich einfach so gehört, und „vollkommenen“ Pflichten, die über das normale Maß weit hinausgehen.

Pflichten der Gemeinschaft sind wichtiger als solche der Erkenntnis

Und Marcus Tullius Cicero kennt die Probleme der Abwägung, die sich aus dem Wunsch nach Pflichterfüllung ergeben. Zum einen ist nicht jede Pflicht absoluter Selbstzweck: „So braucht man also die Versprechen nicht zu halten, die für die, denen man sie gab, nutzlos sind; und wenn sie einem mehr schaden, al sie dem nützen, dem man sie gab, so steht es nicht im Widerspruch zur Pflicht, das Wichtigere dem Unwichtigeren vorzuziehen.“ Zum anderen müsse man auch zwischen Pflichten aus unterschiedlichen Tugendbereichen abwägen.

So seien laut Marcus Tullius Cicero Pflichten der Gemeinschaft wichtiger als solche der Erkenntnis. Er glaubt das durch die These zu beweisen, dass ein zur Einsamkeit verurteilter Forscher sich umbringen würde. Die Tugend der Tapferkeit beweist man für Marcus Tullius Cicero in militärischen Großtaten ebenso wie in politischer Betätigung. Wer nicht eine besondere wissenschaftliche Begabung vorweisen kann, sollte gesellschaftlich aktiv werden, dabei aber nicht nach Ruhm und Reichtum streben und nur für das Gemeinwohl agieren.

Von Hans Klumbies