Durch die Natur versteht der Mensch die Welt

Schon immer haben sich Menschen Aspekten ihrer natürlichen Umgebung zugewandt, um die eigene Existenz zu interpretieren und zu verstehen. Eine besondere Rolle spielten dabei Tiere, Landschaften, Wetterphänomene und biologische Prozesse. Lucy F. Jones betont: „Die Natur hilft uns dabei, die Welt, in der wir uns wiederfinden, zu verstehen und ihr Bedeutung abzugewinnen.“ Selbstverständlich bestehen die frühesten Schöpfungsmythen und Kosmologien aus zahlreichen gemeinsamen Naturmotiven. Dazu zählen Fluten, Schlangen, Eier und animistische Annahmen. Denn die Urahnen der heutigen Menschen waren mit ihrer Umwelt noch wesentlich stärker verbunden. Doch trotz ihrer Entfremdung beziehen sich Menschen auch heute immer noch auf die Natur. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

Die Natur sorgt für emotionale Stabilität

Linguistisch und mental sind die Menschen stark mit der Natur verbunden. Sie haben ihre Sprache, ihre Kultur und ihr Bewusstsein in unmittelbarer Nähe zu der Umwelt erschaffen, in der sie seit Jahrtausenden leben. Lucy F. Jones erklärt: „Unsere ästhetische Präferenz für Flora und Fauna lässt sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte bis zum heutigen Tag verfolgen. Jenseits von Philosophie und Ästhetik ist das menschliche Bedürfnis nach Natur sehr viel dringlicher und grundlegender. Das Wohlergehen der Menschen hängt davon ab.

Gute Gesundheit zum Beispiel hängt von der Verbindung zu oder dem Erfahren einer schönen natürlichen Umgebung ab. Dieser Umstand ist in der langen Historie der Menschheit verankert. Seit Jahrhunderten handeln Menschen nach der intuitiven Maxime, dass sie für ihre emotionale Stabilität den Einklang mit der Natur brauchen, für ihre Nerven und ihre Psyche. Ihre Bemühungen reichen von der Erschaffung öffentlicher Parks bis hin zum Urban Gardening. Und auch die moderne Wissenschaft hat dies mittlerweile erkannt.

Immer mehr Menschen vertrauen auf „Naturtherapien“

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich ein neuer Blick auf Naturlandschaften. Und mit dem Aufkommen der Romantik in Kunst und Poesie sowie Transzendentalisten wie Henry Thoreau und Ralph Waldo Emerson brach bezüglich Ort und Landschaft eine neue Epoche emotionaler Sensibilität an. Der Aufstieg des Mittelstands brachte eine gesteigerte Reiselust mit sich, die Menschen quer durch ganz Großbritannien führte. Zudem wurde die Natur in ganz Europa zum ernsthaften Sujet von Malern und Komponisten, Dichtern und Philosophen.

Mit Abschluss der Industrialisierung wurden naturbelassene Orte erstmals zur Behandlung von Menschen mit emotionalen und psychischen Beschwerden genutzt. Auch Florence Nightingale berichtete 1859, dass sich die Kraft der Natur positiv auf die Genesung ihrer Patienten auswirkte. Heute gibt es bereits gefächerte „Naturtherapien“. Und immer mehr Studien zeigen, wie und warum Naturverbundenheit gut für die geistige Gesundheit eines Menschen ist. Quelle: „Die Wurzeln des Glücks“ von Lucy F. Jones

Von Hans Klumbies