Kwame Anthony Appiah vertritt in seinem neuen Buch „Eine Frage der Ehre“ die These, dass moralische Revolutionen nicht durch neue Einsichten entstehen. Menschenverachtende Praktiken werden seiner Meinung nur deshalb abgeschafft, weil das Ehrgefühl der Gesellschaft sich mit einem Mal dagegen wandte. Kwame Anthony Appiah weist der Ehre einen neuen Platz in der Ethik zu. Auf der einen Seite kann sie den Menschen auf moralische Abwege führen, wo er gar in ihrem Namen tötet. Auf der anderen Seite kann sie aber auch die Menschen dazu bringen, nicht nur richtig zu denken, sondern sogar gut zu handeln. Der Autor bekleidet einen Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Princeton. Seit 2009 ist er Direktor des Amerikanischen PEN-Zentrums.
Die Moral ist ein zutiefst praktisches Unterfangen
Der Ausgangspunkt für das Buch „Eine Frage der Ehre“ war für Kwame Anthony Appiah die Frage: „Was können wir durch die Erforschung moralischer Revolutionen über die Moral lernen? Wie schon Immanuel Kant betonte, ist die Moral ein zutiefst praktisches Unterfangen. Kwame Anthony Appiah schreibt: „Obwohl unser Denken und Fühlen moralisch durchaus bedeutsam sind, geht es in der Moral doch eigentlich um unser Handeln.“ Moralische Revolutionen müssen seiner Ansicht nach von einer raschen Veränderung des moralischen Verhaltens und nicht nur des moralischen Empfindens geprägt sein.
Als Beispiele für moralische Revolutionen nennt Kwame Anthony Appiah das Ende des Duells, die Aufgabe des Füßebindens und die Abschaffung der atlantischen Sklaverei. Bei ihrer Erforschung entdeckte er unerwartete Gemeinsamkeiten. Er erklärt: „Dazu gehörte die Tatsache, dass die Argumente gegen diese Praktiken schon lange vor deren Aufgabe oder Abschaffung weithin bekannt waren und in aller Deutlichkeit vorgebracht wurden.“ Wenn unmoralische Praktiken aufgegeben wurden, geschah dies laut Kwame Anthony Appiah nicht dadurch, dass die Menschen sich neuen moralischen Argumenten gebeugt hätten.
Die Ehre ist für ein erfolgreiches Leben von entscheidender Bedeutung
Bei seinen Untersuchungen stellte Kwame Anthony Appiah fest, dass bei all diesen Wandlungsprozessen etwas eine wesentliche Rolle spielte, das man gemeinhin Ehre nennt. Außerdem gibt es einen Zusammenhang zwischen Ehre und Identität. Die Identität verbindet die moralischen Revolutionen gemäß Kwame Anthony Appiah mit einem Aspekt der menschlichen Psychologie. Er erklärt: „Ich meine unsere tiefe und beständige Sorge um Status und Respekt, unser menschliches Bedürfnis nach dem, was Georg Wilhelm Friedrich Hegel „Anerkennung“ genannt hat.“
Kwame Anthony Appiah ist fest davon überzeugt, dass der Ehre in der Vorstellung von einem erfolgreichen Leben eine ganz entscheidende Bedeutung zukommt. Die Ehre ist für ihn deshalb so bedeutsam, weil sie wie die soziale Identität die Menschen miteinander verbindet. Kwame Anthony Appiah schreibt: „Der Blick auf die Ehre kann uns wie die Beachtung der Bedeutung sozialer Identitäten dabei helfen, andere so zu behandeln, wie es sich gehört, und zugleich das Beste aus unserem eigenen Leben zu machen.“
Eine Frage der Ehre
oder Wie es zu moralischen Revolutionen kommt
Kwame Anthony Appiah
Verlag: C.H. Beck
Gebundene Ausgabe: 270 Seiten, Auflage: 2011
ISBN: 978-3-406-61488-0, 24,95 Euro
Von Hans Klumbies