Aber was immer auch der Krieg an schrecklichen Opfern nach sich zieht, so ist er doch, in einer Ethik aus Härte und Grausamkeit, eine Schule des Lebens, die jedem einzelnen zukünftigen Soldaten abverlangt wird. Wolfgang Müller-Funk stellt fest: „Es sind der Erste Weltkrieg und nachfolgende Revolutionen diverser Couleurs, die einen postreligiösen Diskurs und damit eine Ethik der Grausamkeit hervorbringen werden.“ Robert Musil, der solchen Diskursen abhold war, hat trotz eines gewissen Faibles für Friedrich Nietzsche der Versuchung widerstanden, daran mitzuwirken. Andere wie Ernst Jünger haben den Krieg als ein Vorspiel für die Schaffung einer Gesellschaft gesehen, die auf systematische Gewaltsamkeit aufgebaut ist. Wolfgang Müller-Funk war Professor für Kulturwissenschaften in Wien und Birmingham und u.a. Fellow an der New School for Social Research in New York und am IWM in Wien.
Menschen sind immer schon gesellschaftliche Wesen
Das ist im schlechten Sinne utopisch insofern, als keine Gesellschaft ohne ein Maß an Vertrauen und Zusammengehörigkeitsgefühl auf Dauer bestehen kann. Tzvetan Todorov beschreibt den Sachverhalt folgendermaßen: „Der Mensch ist aus den Beziehungen zu seinen Mitmenschen gebildet und zugleich fähig, ganz allein in der Welt zu wirken; das menschliche Wesen ist gleichsam ein Kollektivsingular. […] Das Leben in der Gesellschaft gründet nicht auf einer Entscheidung, wir sind immer schon gesellschaftliche Wesen.“
Wolfgang Müller-Funk betont: „Eine Studie, die sich mit Grausamkeit als einer diskursiv gesteuerten Kulturtechnik beschäftigt, kommt nicht umhin, Einblick in das frühe Œuvre Ernst Jüngers zu nehmen, das bis heute, nicht zuletzt dank des rechten Essayisten Armin Mohler unter der beunruhigenden Bezeichnung „konservative Revolution“ firmiert, wobei nicht ganz klar ist, was an dieser Revolution konservativ und was revolutionär sein soll.“ Revolutionär in dem unbestimmten Sinn des Wortes, das in Folge seines Präfixes zwischen Bruch und Rückkehr changiert, ist das politische Projekt Ernst Jüngers allemal.
Ernst Jünger besitzt einen pragmatischen Geist der Unerschrockenheit
Nicht umsonst hat der ungarische Soziologe Károly Mannheim in seinem Buch „Ideologie und Utopie“ den Faschismus als einen neuen, ganz eigenen politischen Typus angesehen. Im Zentrum von Mussolinis „Fascismus“, steht für ihn der „Glaube an die ausschlaggebende Tat“, welche die Geschichte letztendlich negiert. Wolfgang Müller-Funk erläutert: „Was die „ausschlaggebende Tat“ ist, ist dabei durchaus variabel und ideologisch eher unterbelichtet, wenn sie nur der Größe der Nation hilft.“
Diese Bereitschaft zur Tat steht auch im Zentrum von Ernst Jüngers Werk in der Weimarer Zeit, das keinen Zweifel daran lässt, dass es gerade deren dunkle Seiten sind, die sie für den Kriegsteilnehmer Ernst Jünger so anziehend macht. Daraus entspringt sein programmatischer Geist der Unerschrockenheit. In dem Buch „Der Arbeiter“ von 1932 baut Ernst Jünger auf den Kriegserfahrungen auf, die er in „In Stahlgewittern“ festgehalten hat. Der Krieg in seiner grenzüberschreitenden Dimension ist ein Gründungsnarrativ der braunen Revolutionäre, da er einer Offenbarung gleichkommt, die auf eine ganz andere staatliche und kulturelle Ordnung verweist. Quelle: „Crudelitas“ von Wolfgang Müller-Funk
Von Hans Klumbies