Zarathustra ist nicht Friedrich Nietzsche

Die vom persischen Religionsstifter Zoroaster inspirierte Figur des Zarathustra erscheint nicht nur als Verkünder großer Wahrheiten und Prediger. Sondern er tritt auch als Philosoph in Erscheinung, der sich radikal einer skeptischen Selbstvergewisserung aussetzt. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „So wenig Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ ein philosophisches Werk im traditionellen Sinne ist, so wenig handelt es sich um eine poetische Fiktion.“ Der eher an der Sprache der Evangelisten denn an orientalische Vorbilder gemahnende Stil ist von einer außergewöhnlichen Geschmeidigkeit. Der Duktus oszilliert zwischen übersteigertem Pathos und nüchterner Selbstbefragung. Die Figur des Zarathustra darf man jedoch nicht mit Friedrich Nietzsche identifizieren. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

Der Wille zur Macht ist der Grundtrieb des Menschen

Aber Friedrich Nietzsches Werk enthält eine radikale Kritik der Religion und der Moral. Er entwickelt eine Vision des Übermenschen und eine Bestimmung des Willens zur Macht als Grundtrieb des Menschen. Seine Konzeption der ewigen Wiederkunft des Gleichen findet sich mehrfach gebrochen und literarisch verdeckt, in diesem außergewöhnlichen und einzigartigen Text. Friedrich Nietzsche hatte ihm die Widmung „Ein Buch für Alle und Keinen“ vorausgestellt.

Sein vieldeutiges philosophisch-poetisches Hauptwerk hatte Ende des 19. Jahrhunderts seinen Siegeszug in der intellektuellen Welt angetreten. Dabei hatte es weniger die akademischen Philosophie, sehr wohl aber Künstler, Musiker und Literaten nachhaltig beeindruckt und inspiriert. Konrad Paul Liessmann weiß: „Nietzsche, der im Jahre 1889 in geistige Umnachtung gefallen war und bis zu seinem Tod am 25. August 1900 darin verharrte, hatte seinen steil ansteigenden Ruhm nicht mehr wahrnehmen können.“

Zarathustra verkündet die Lehre vom Übermenschen

Am Beginn von Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ erhebt sich die titelgebende Hauptfigur, die sich in die Bergeinsamkeit zurückgezogen hatte, mit der Morgenröte und spricht zur aufgehenden Sonne: „Ich muss, gleich dir, untergehen, wie die Menschen es nennen, zu denen ich hinab will.“ Mit dem angebeteten Sonnenaufgang beginnt eigentlich Zarathustras Untergang. Und dies nicht nur in dem Sinne, dass der Prophet zu den Menschen hinabsteigt, um ihnen etwas zu verkünden.

Die Menschen wollen das weder hören noch verstehen. Deshalb kristallisiert sich hier die Bedeutung eines großen Scheiterns heraus. Zarathustras zentrale Erkenntnisse, seine Lehren vom Übermenschen und von der ewigen Wiederkunft des Gleichen, stoßen bei den Menschen auf taube Ohren. Friedrich Nietzsche, der wie kaum ein Philosoph seiner Zeit ein existenzielles Nahverhältnis zur Musik hatte, bezeichnete den „Zarathustra“ mehrmals als „meine Symphonie“. Musikalität kennzeichnet Form und Sprache des „Zarathustra“. Gedichte, Lieder, Rhythmen und Tänze spielen darin eine entscheidende Rolle. Quelle: „Alle Lust will Ewigkeit“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies