Über Eliten wird wieder gesprochen. Spitzenpolitiker, Topmanager, Meinungsführer und prominente Intellektuelle sehen sich einer scharfen Kritik ausgesetzt. Diese wird allerdings nicht wie in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von links, sondern von Rechtspopulisten und Neokonservativen vorgetragen. Konrad Paul Liessmann kennt die Vorwürfe: „Die Eliten agierten selbstgerecht und abgehoben. Sie hätten den Kontakt zu den Sorgen und Nöten der Menschen verloren. Die Eliten trügen bei zur Spaltung der Gesellschaft und akkumulierten deren Reichtum auf ihrer Seite.“ Eliten seien vor allem eitel, unfähig zur nüchternen Selbsteinschätzung, gierig, rücksichtslos, unverschämt und bigott. Vor allem aber leisten sie nicht das, was sie gerne als Grund für ihre Auserlesenheit angeben. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.
Eliten neigen zur Abschottung
Ein Gutteil der politischen Katastrophen und Skandale der letzten Jahre verdankt sich auch den Tätigkeiten, Empfehlungen, Einschätzungen und Fehleinschätzungen der Eliten. All das lässt nicht gerade auf Weitsicht, Umsicht, Kompetenz und Redlichkeit schließen. Überdies, so eine weitere Kritik, neigen Eliten zur Abschottung und zur sozialen Reproduktion ihrer selbst. Außerdem zeichnen sie sich durch Realitätsverweigerung sowie hysterischem und peinlichem Verhalten aus.
Obwohl selbst ohne Moral, immunisieren sie sich gegen Kritik gerne durch Moralisierung. Geschlossene Gesellschaften aber, wie sie Eliten als soziale Gruppierungen in einem hohen Maße darstellen, sind auch nicht wirklich kreativ. Soziale, wissenschaftliche, ästhetische und auch technische Innovationen kommen in der Regel von den Rändern der Gesellschaft. Gleichzeitig mehren sich allerdings die Stimmen, die das Konzept der Elite verteidigen. Für die Verteidiger stellen sie ein Bollwerk gegen die populistische Versuchung und der Aushöhlung der Demokratie dar.
Eine schmale Oberschicht gilt für die Eliten als Selbstverständlichkeit
Zusätzlich würden die Eliten gegen Fake-News und Verschwörungstheorien kämpfen. Außerdem verringern sie die soziale Ungleichheit, weil sie prinzipiell allen offenstehen. Für hierarchisch und ständisch gegliederte Gesellschaften stellen Eliten kein Problem dar. Dass es eine schmale Oberschicht gibt, erscheint dabei als Selbstverständlichkeit. Diese bestimmt nicht nur die Politik, verfügt über die Produktionsmittel und legt die verbindlichen Muster der Weltdeutung fest.
Die Reproduktion und Zugehörigkeit zu diesen Eliten erfolgt nach festen Regeln. Meistens entscheidet schon die Geburt darüber, und dort wo dies nicht möglich ist, gibt es fein abgestimmte Verfahrend der Rekrutierung. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „In der Selbstwahrnehmung verstehen sich diese Eliten entweder als die Besten oder die Erwählten und von einer höheren Instanz Berufenen.“ Zum Problem wird die Elite allerdings in einer Gesellschaft, deren Eliten die Gleichheit der Menschen verkünden.“ Damit sind alle Vorrechte der Geburt ebenso gekappt wie transzendenzbedingte Berufungsverfahren. Quelle: „Die Werte der Wenigen“ von Konrad Paul Liessmann in Philosophicum Lech, Band 23
Von Hans Klumbies