Kleine Fehler von Politikern können sich zu Skandalen entwickeln

Patzer und kleine Fehler von Politikern können eine solche Eigendynamik entwickelt, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung zu schweren Fehlern oder sogar Skandalen werden. Helene Bubrowski weiß: „Es geht nicht fair zu bei der Frage, was ein Fehler ist oder werden kann.“ Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf die Schnelle mal brutto und netto verwechselt, und schon freute sich die SPD über die „maßlos überforderte Kanzlerin“. Politiker schlafen oft zu wenig, sind immer unter Zeitdruck. Da passiert ständig etwas, von dem die Pressesprecher hoffen, dass es niemand mitbekommen hat. Und wenn doch, dass die Sache schnell wieder versandet. Manchmal sind es einfach Zufälle: Wenn die Öffentlichkeit gerade über Steuerschlupflöcher diskutiert, können kleinste Unregelmäßigkeiten in Spesenabrechnungen plötzlich eine Wucht entfalten. Helene Bubrowski arbeitet als Politikkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Berliner Hauptstadtbüro.

Fehlerkultur ist nicht dasselbe wie Krisenkommunikation

Wie wird Fehlerkultur praktiziert? Zu seinen Fehlern stehen, Verantwortung übernehmen – das hört sich gut an, aber was heißt das eigentlich? Helene Bubrowski erklärt: „Auch hier gibt es nicht die eine eindeutige Antwort, sondern nur eine Annäherung durch Aussieben, was mit Fehlerkultur nicht gemeint ist.“ Das häufigste Missverständnis ist, dass Fehlerkultur im Grunde dasselbe ist wie Krisenkommunikation. Das ist angesichts der vielen Kommunikationsberater auf dem politischen Markt kein Wunder.

Man darf ihren Einfluss nicht unterschätzen. Helene Bubrowski stellt fest: „Vor allem Politiker, die noch nicht so lang im Geschäft sind, verlassen sich auf deren Erfahrung, folgen ihren Empfehlungen. Was wiederum das Sendungsbewusstsein der Berater stärkt.“ Einige betrachten die Politiker, für die sie arbeiten, geradezu als ihr Werk. „Jetzt bin ich ja da. Sie werden schon sehen: Vor der Kamera steht bald ein anderer Mensch“, versicherte ein Kommunikationsexperte, der neu im Team eines Spitzenpolitikers war, im Gespräch mit Helene Bubrowski.

Fehlerkultur ist ein innerer Prozess

Fehlerkultur hat einen kommunikativen Aspekt, aber sie ist nicht in erster Linie auf die Außenwirkung angelegt. Helene Bubrowski erläutert: „Es geht eben nicht darum, einen Vorfall schnell in ein möglichst günstiges Licht zu rücken. Fehlerkultur ist ein innerer Prozess: Was ist passiert und warum?“ Da darf nichts beschönigt werden, alles muss auf den Tisch. Oft ist der Druck groß, öffentlich Stellung zu nehmen. Dann können Politiker nicht abwarten, bis jeder Stein umgedreht ist.

Aber der Reflex, sofort Position zu beziehen, um sich die Deutungshoheit zu sichern, kann sich als Bumerang erweisen. Helene Bubrowski betont: „In aller Regel ist es sinnvoll, sich unter Verweis auf interne Prüfungen – die auch wirklich stattfinden müssen! – Zeit zu erkaufen. Man kann es auf die Formel bringen: nicht kommunizieren, bevor man weiß, was man sagen will.“ Fehlerkultur heißt auch nicht, dass die Folge zwingend ein Rücktritt sein muss. Quelle: „Die Fehlbaren“ von Helene Bubrowski

Von Hans Klumbies