Kevin Dutton weiß: „Die natürliche Auslese ist nicht dumm.“ Sie wusste schon vor ein paar Hunderttausend Jahren ganz genau, dass die Gehirne der Menschen, wenn keine Vorkehrungen getroffen würden, keine Ruhe finden. Denn sie sammeln unablässig immer nuanciertere Daten zu jedwedem Problem. Dessen schwindende Überreste würden sich in zunehmend fraktale und bedeutungslose Gedankenbytes zergliedern. Stießen die Vorfahren der heutigen Menschen zufällig auf eine Schlange im Unterholz oder auf eine Spinne in der Ecke der Höhle … wie viele Beweise brauchte man dann, um sichergehen zu können, dass dieses Tier harmlos war oder auch nicht? Also musste die natürliche Auslese die Sache in die Hand nehmen. Sie musste sich der Herausforderung stellen. Was sie auch tat. Kevin Dutton ist Forschungspsychologe an der University of Oxford und Mitglied der British Psychological Society.
Die Anpassung erfolgt durch eine Reihe winziger Veränderungen
Die Lösung für diese alltägliche primordiale Notwendigkeit führte zu einer Art von Anpassung. Diese ist im Lauf der Zeit zum Synonym geworden für die Auseinandersetzung mit hohem Einsatz und für messerscharfe Konfrontationen bei fast jedem nur erdenklichen Konflikt. Vom Schlachtfeld bis zum Spielfeld. Kampf oder Flucht. Könnte dieses instinktive, universelle Reaktionsmuster nicht auch die Grundlage für den Plan gebildet haben, dem endlosen Grübeln einen Riegel vorzuschieben.
Kooptation, das heißt, der Prozess, durch den physische Strukturen, die unter bestimmten Bedingungen entstehen, verschiedene andere Funktionen übernehmen. Damit können sie den Wechsel in neue Kontexte oder Umgebungen erleichtern, während sie ihre ursprünglichen Merkmale beibehalten. Kooptation gehört zu den Standardvorgehensweisen der Evolution. Denn die Anpassung, wie Charles Darwin herausfand, erfolgt im Allgemeinen nicht durch einen plötzlichen einmaligen Big-Bang-Moment einer Mega-Metamorphose. Sondern sie erfolgt vielmehr durch eine Reihe winziger, unmerklicher Veränderungen.
Die heute lebenden Menschen müssen mehr Grenzen ziehen
Die Lehre aus der Geschichte ist klar. Kevin Dutton erläutert: „Die „Force-Quit“-Funktion (Beenden erzwingen) unseres Gehirns hat dafür gesorgt, dass wir immer einen Schritt voraus geblieben sind, und uns davor bewahrt, auf dem Speiseplan zu landen.“ Das soll jedoch nicht heißen, dass man nicht weiter Vorsicht walten lässt und die Dinge in die richtige Perspektive rückt. Zudem sollte man sich der Probleme bewusst sein, die wahrscheinlich dann entstehen, wenn das Bedürfnis nach Geschlossenheit dazu führt, dass man zu früh abschaltet.
Das führt zu voreingenommenen, engstirnigen und zu viel einschließenden Annahmen. Es entsteht zudem ein Widerwille, die einzelnen Bäume und nicht nur den Wald zu sehen und ein angemessenes Maß an Feinheiten, Komplexität und Vielfalt wahrzunehmen. Gekoppelt ist das alles mit der Unfähigkeit, eine ausreichende Auswahl an Kategorien zu spezifizieren, um den Prozess der informierten und rationalen Entscheidungsfindung zu erleichtern. Die heute lebenden Menschen müssen eine ganze Menge mehr Grenzen ziehen als ihre prähistorischen Vorfahren. Quelle: „Schwarz. Weiß. Denken!“ von Kevin Dutton
Von Hans Klumbies