Karl Jaspers erforscht den Ursprung der Philosophie

Die Geschichte der Philosophie beginnt als methodisches Denken vor zweieinhalb Jahrtausenden, als mythisches Denken aber schon viel früher. Der Ursprung ist laut Karl Jaspers vielfach. Aus dem Stauen der Menschen folgen die Fragen und daraus wieder die Erkenntnis. Aus dem Zweifel am Erkannten folgt die kritische Prüfung und daran anschließend die klare Gewissheit. Als letztes folgt aus der Erschütterung des Menschen, aus dem Bewusstsein seiner Verlorenheit heraus, die Frage nach sich selbst. Karl Jaspers zitiert bei seiner Suche nach den Wurzeln der Philsophie den Griechen Platon, der den Ursprung der Philosophie im Erstaunen festmachte.

Selbst bei kritischer Prüfung ist nichts gewiss

Ein Mensch, der sich wundert, wird zur Erkenntnis gedrängt. Im Wundern wird er sich seines Nichtwissens bewusst. Dann sucht er das Wissen um des Wissens selber willen und nicht zu einem bestimmten Bedarf. Hat der Mensch dann Befriedigung seines Staunens und Bewunderns in der Erkenntnis des Seienden gefunden, dauert es nicht lange, bis sich der Zweifel meldet.

Zwar wächst die Zahl der Erkenntnisse, doch bei kritischer Prüfung ist nichts gewiss. Für Karl Jaspers wird der Zweifel als methodischer Zweifel zur Quelle der kritischen Prüfung jeder Erkenntnis. Es gibt für ihn kein wahrhaftiges Philosophieren ohne den radikalen Zweifel. Aber noch entscheidender ist, wie und wo durch den Zweifel selbst der Boden der Gewissheit gewonnen wird.

Die Grenzsituationen des Lebens

Es gibt Situationen im Leben, die der Mensch nicht verändern kann: er muss sterben, er muss leiden, er muss kämpfen, er ist dem Zufall unterworfen, er verstrickt sich unausweichlich in Schuld. Karl Jaspers nennt diese Grundsituationen des menschlichen Daseins Grenzsituationen. Das Bewusstwerden dieser Grenzsituationen ist nach dem Staunen und dem Zweifel der tiefere Ursprung der Philosophie. Der Mensch ist ständig konfrontiert mit der Unzuverlässigkeit allen Weltseins.

Selbst in der Beherrschung der Natur bleiben die Unberechenbarkeit und damit die ständige Bedrohung eines Scheiterns im Ganzen. Das Alter, die Krankheit und der Tod sind nicht zu vermeiden. Alles Verlässlichwerden der beherrschten Natur ist für Karl Jaspers nur ein Besonderes im Rahmen der totalen Unverlässlichkeit. Deshalb vereinigt sich der Mensch zur Gemeinschaft, um den endlosen Kampf aller gegen alle einzuschränken und in gegenseitiger Hilfe die ersehnte Sicherheit zu gewinnen.

Der Mensch sucht nach Erlösung

Die Grenzsituationen wie Tod, Zufall, Schuld und die Unzuverlässigkeit der Welt demonstrieren dem Menschen sein Scheitern. Die Stoiker sind allerdings der Auffassung, dass der Ursprung in den Grenzsituationen den Grundantrieb hervorbringt, im Scheitern den Weg zum Sein zu gewinnen. Es ist entscheidend für den Menschen, wie er sein Scheitern erfährt, das begründet, wie er sich als Mensch entwickelt.

In der Grenzsituation zeigt sich entweder das Nichts, oder es wird fühlbar, was trotz und über allem verschwindenden Weltsein eigentlich ist. Karl Jaspers vertritt die Meinung, dass der Mensch nach Erlösung sucht, die ihm durch die großen, universalen Erlösungsreligionen geboten wird. Ihr Kennzeichen ist eine objektive Garantie für die Wahrheit und Wirklichkeit der Erlösung.

Die Philosophie ist untrennbar mit der Wahrheit verbunden

Ihr Weg führt zum Akt der Bekehrung des einzelnen Menschen. Die Philosophie kann dem Menschen nicht mit dieser Wohltat dienen. Und doch ist alles Philosophieren ein Überwinden der Welt, ein Analogon der Erlösung. Für Karl Jaspers gilt, dass der Ursprung der Philosophie zwar im sich wundern, im Zweifel und in der Erfahrung der Grenzsituation liegt, aber zuletzt darüber hinaus, dieses alles in sich schließend, in dem Willen zur eigentlichen Kommunikation.

Denn alle Philosophie möchte sich von Anfang an mitteilen, aussprechen und gehört werden. Das Wesen der Philosophie ist also die Mitteilbarkeit selbst, die unablösbar vom Wahrsein ist. Erst in der Kommunikation wird der Zweck der Philosophie erreicht, nämlich das Innewerden des Seins, die Erhellung der Liebe sowie die Vollendung der Ruhe.

Von Hans Klumbies