Karl der Große erneuert die deutsche Kulturpolitik

Karl der Große wurde im Jahr 800 im Aachener Dom zum Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“ gekrönt. Seine Bedeutung für die Förderung und Verbreitung der schriftlichen Kultur im westfränkischen wie im ostfränkischen Reich kann nicht hoch genug angesetzt werden. Als leidenschaftlicher Vermittler von christlicher Bildung, Literatur, Kunst, Ethik und Wissenschaft hat Karl der Große im Jahr 813 unter anderem diese Anordnung erlassen: „Jedermann soll seinen Söhne zur Schule schicken, entweder in ein Kloster oder aber zu einem Priester.“ So ließ er auch die Grammatik seiner Muttersprache erarbeiten. In seinem „Heldenliederbuch“ ließ er die wichtigste und früheste Stammesliteratur und heroische Heldendichtung sammeln. Die Kulturpolitik Karls des Großen, die renovatio studii, war wesentlicher Bestandteil seiner kaiserlichen Reichspolitik, der renovatio imperii.

Die antike Kunst und Literatur erlebt eine Renaissance

Diese Erneuerungen Karls des Großen führten zu einer ersten glanzvollen Vergegenwärtigung der während des dunklen Mittelalters fast bedeutungslos gewordenen antiken Kunst und Literatur. Vor allem in der Kunstgeschichte spricht man von der karolingischen beziehungsweise ottonischen Renaissance, die in weltlicher und sakraler Hinsicht das Gesicht der Epoche der fränkisch-karolingischen und der sächsischen Kaiser geprägt hat. Die Zeit Karls des Großen ist nicht mehr von der Christianisierung bestimmt.

Das Interesse des Kaisers galt dem Ausbau einer starken und gut organisierten Reichskirche, die er freilich seinen imperialen, reichsorientierten Absichten unterwarf. Aber auch er konnte nicht verhindern, dass diese Reichskirche ein eigenes Gewicht gewann und damit zum politischen Faktor wurde, im Laufe der Zeit sogar auf einer eigenständigen, an Rom orientieren Herrschaftssphäre bestand. Es lag auch in der Absicht Karls des Großen, den Laienstand der christlichen Kirche zu unterwerfen und dadurch seinen weltlichen Herrschaftsanspruch zu festigen.

Die Kreuzzüge sollen den Adel substantiell schwächen

In dem Augenblick, in dem die Kirche ihren Autonomieanspruch erhob und zu behaupten begann, dass nicht der Kaiser, sondern Jesus von Nazareth als verheißener Messias und gesalbter Christus Herr der geschichtlichen Endzeit und damit der Erlösung der Christenheit aus dem Übel sei, musste dies zwangsläufig auch zu einer tiefen Verunsicherung der Laienschaft führen. Die ideologischen Reichskämpfe – hier weltliches Kaiserreich, da päpstlich repräsentiertes Gottesreich – kündigten sich in diesem Widerspruch an, der selbst noch im modernen staatskirchlichen Status quo sichtbar bleibt.

Ausgetragen werden sollte dieser Konflikt als Investiturstreit zwischen dem Papst und den Königen von Frankreich, England und Deutschland. Er entzündete sich an der Frage, wer dazu befugt ist, Bischöfe einzusetzen, der Papst in Rom oder die weltliche Macht. Beim Investiturstreit ging es aber auch um eine Erweiterung des machtpolitischen Instrumentariums der Geistlichkeit und um eine Steigerung der territorialen Expansion der Kirche. Ein Streit, in dem selbst die Kreuzzüge zum Mittel gerieten, den europäischen Adel substantiell zu schwächen. Quelle: „Deutsche Literaturgeschichte“ vom Verlag J. B. Metzler

Von Hans Klumbies