Der Ausgangspunkt zur Verteidigung des Begriffs der Demokratie ist für die Philosophin Juliane Rebentisch das Paradox, dass die Demokratie aus Gründen ihrer Struktur, alle Normen in einer sozialen Ordnung zerstört, wenn man das Wort Demokratie wörtlich nimmt. Wenn wirklich alle oder die Masse herrschen, entsteht Willkür und Chaos. Dennoch gilt für Juliane Rebentisch folgender Anspruch: „Eine demokratische Sozialordnung kann nur demokratisch genannt werden, wenn in ihr auch die Möglichkeit eingeräumt wird, sie infrage zu stellen.“ Verbesserungen und Veränderungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. In einer funktionierenden Demokratie gibt es immer Alternativen.
Für Platon war die Demokratie eine unmögliche Staatsform
Juliane Rebentisch weist darauf hin, dass ein begriffsgeschichtlicher Rückblick zeigt, dass Demokratie seit der Antike als Gegensatz zur Aristokratie betrachtet wurde. Die Herrschaft der Vielen, des Volkes, der Masse stand der Herrschaft der Wenigen, der Guten und Besten gegenüber. Platon hielt die Demokratie für eine unmögliche Staatsform, weil sie in kürzester Zeit von Verführern der Massen ausgehöhlt werden kann. Die Demokratie verwandelt sich dann in ein Spektakel.
Friedrich Nietzsche hielt auch nicht viel von der Demokratie und bezeichnete sie als Theatrokratie, also als eine auf Massenbeifall ausgerichtete Theaterherrschaft. Die Demokratie geht auf diese Art und Weise in eine Tyrannei über, in der die Gesetze ihren Wert verloren haben und die Willkür das Kommando übernommen hat. Platon vertrat die Meinung, dass den Demokraten im Gegensatz zu den Aristokraten, das Wissen um das wahrhaft Gute abgeht. Aber laut Juliane Rebentisch bleiben auch die Wahrheit und das Gute für neue und andere Einsichten, also Veränderungen, offen.
Die Masse ist ein wichtiger Faktor im demokratischen Prozess
Die Offenheit für eine veränderliche und veränderbare Welt ist für Juliane Rebentisch das Kennzeichen der Freiheit und Unabhängigkeit des Subjekts in der Moderne. Damit fällt ihrer Meinung nach auch die Macht der Autoritäten in sich zusammen, die das Gute und die Wahrheit für sich gepachtet hatten wie die Priester die Religion. Das heißt, die Bürger reden jetzt mit und müssen ihre Vorschläge und Urteile in der Öffentlichkeit, und durch diese, überprüfen lassen. Die Masse kann für Juliane Rebentisch sowohl zum Mittel der Gleichschaltung werden, als auch ihre Vielheit und Buntheit gewährleisten.
Laut Juliane Rebentisch sind die Massen wichtige Faktoren im demokratischen Prozess, sei es als Demonstranten, Boykottierende oder Frustrierte, die der Demokratie den Rücken zuwenden. Die sich so vielfältig präsentierende Masse versteht ihrer Meinung nach die Demokratie nicht als Zustand, sondern als Prozess einer ständigen Veränderung und Selbstveränderung. Die Philosophin macht klar, dass die Demokratie keinen Katalog im Reich der Möglichkeiten braucht, um Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit sicher zu stellen, sondern klare Barrieren zwischen privat und öffentlich, Regeln, Verfahren und Institutionen.
Von Hans Klumbies
In diesem Artikel finde ich ein wichtiges und schwieriges Gebilde „das Demokratieverständnis“ vorbildlich, verständlich und alltagstauglich, präsentiert. Gerne würde ich diesen Beitrag zur Pflichtlektüre- schon für die Grundschule- machen. Aber auch die meisten Politiker haben hiermit die Chance eines ihrer Defizite aufzufüllen.
Der Autor hat hier eine Philosophin erkannt oder gefunden, deren Gabe und Gespür dazu taugt, ein wichtiges Werkzeug der Gesellschaft „das Verständnis zum Wesen und Nutzen demokratischer Strukturen“ praxistauglich zu machen.
So von dem Thema fasziniert, werde ich einen eigenen Artikel in Readers Edition verfassen, um auch meinen bescheidenen Beitrag zu der Verbreitung und Nutzung derart wertvoller Gedanken zu leisten. Mein „Danke“ an alle Beteiligte.