Meistens funktioniert der Wettbewerb nicht richtig

Verfechter der freien Marktwirtschaft argumentieren oft, die Aufteilung des nationalen Einkommenskuchens hänge vom Wirken unpersönlicher Marktkräfte ab. Das ist für Joseph Stiglitz vergleichbar mit den physikalischen Kräften, die das Körpergewicht eines Menschen festlegen. Niemand möchte das Gravitationsgesetz widerrufen. Manchmal zeigt die Waage an, dass man zu viele Pfunde drauf hat. Dafür kann man nicht die Schwerkraft verantwortlich machen, sondern muss sich um seine Essgewohnheiten kümmern. Joseph Stiglitz stellt fest: „Aber die wirtschaftswissenschaftlichen Gesetze unterscheiden sich von den Gesetzen der Physik. Märkte gestaltet man durch die staatliche Rechtsordnung, und auf den meisten funktioniert der Wettbewerb nicht richtig. Die Rechtsordnung legt insbesondere fest, wer wie viel Marktstärke besitzt.“ Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Adam Smith ist ein Vorbild der Anhänger freier Märkte

Die Anhänger freier Märkte zitieren gerne Adam Smith. Einzelpersonen und Unternehmen würden, wenn sie eigennützige Ziele verfolgen, wie von einer unsichtbaren Hand geleitet, zugleich das allgemeine Wohl befördern. Sie vergessen dabei Adam Smiths folgende Ermahnung: „Geschäftsleute des gleichen Gewerbes kommen selten, selbst zu Festen und zur Zerstreuung, zusammen, ohne dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann.“

Aufgrund dieser stets gegenwärtigen Gefahr verabschiedete der US-Kongress vor rund 125 Jahren Anti-Trust-Gesetze. Diese verboten die geheimen Absprachen zur Behinderung des Wettbewerbs und schränkten wettbewerbswidrig Praktiken ein. Der nationale Einkommenskuchen setzt sich zusammen aus Arbeitseinkommen, Kapitalertrag und dem Rest. Den größten Teil des Rests nennen Wirtschaftswissenschaftler „Renten“. Boden- bzw. Grundrenten sind das offensichtlichste Beispiel. Aber auch Erträge aus Bodenschätzen, Monopolgewinne und Erträge aus geistigem Eigentum gelten als „Renten“.

Das Angebot an Grund ist unveränderlich

Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Einkommen aus Arbeit und Renten. Wenn Arbeitnehmer mehr arbeiten, wird der nationale Kuchen größer. Auf vollkommenen Märkten erhalten sie als Ertrag für ihre gesteigerten Anstrengungen genau das, was sie dem nationalen Kuchen hinzugefügt haben. Joseph Stiglitz fügt hinzu: „Dagegen wird der Eigentümer von Land oder eines anderen Vermögenswerts, der Rentenerträge abwirft, nur deshalb bezahlt, weil ihm das Land oder der Vermögenswert gehört.“

Das Angebot an Grund ist unveränderlich. Nichts, was der Eigentümer getan hat, hat den nationalen Kuchen vergrößert. Und dennoch kann er ein hohes Einkommen erhalten. Er bekommt lediglich Geld, das andernfalls anderen zugeflossen wäre. Und das gleiche gilt für ein Monopol. Wenn seine Macht steigt, streicht der Monopolist mehr Monopolgewinne ein. Hier kann der nationale Kuchen jedoch gleichzeitig schrumpfen, weil der Monopolist, um seine Marktmacht auszunutzen, die Produktion drosselt, um die produzierten Güter gezielt zu verknappen. Quelle: „Der Preis des Profits“ von Joseph Stiglitz

Von Hans Klumbies