Adam Smiths berühmtes Buch von 1776, „Der Wohlstand der Nationen“, ist ein guter Ausgangspunkt, um zu verstehen, wie Nationen gedeihen. Joseph Stiglitz erläutert: „Es gilt weithin als das Werk, dass die moderne Volkswirtschaft begründetet.“ Adam Smith kritisierte darin zu Recht den Merkantilismus. Das war jene wirtschaftliche Denkschule, die in Europa während der Renaissance und im frühen Industriezeitalter vorherrschte. Die Merkantilisten plädierten dafür, möglichst viele Güter zu exportieren, um so an Gold zu kommen. Sie glaubten, dies würde den Reichtum ihrer Volkswirtschaften erhöhen und die politische Macht ihrer Nationen steigern. Heute schmunzelt man eher über diese naiven Vorstellungen. Denn Gold in einer Schatzkammer zu horten, sorgt nicht für einen höheren Lebensstandard. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.
Eine Nation muss nicht mehr aus- als einführen
Dabei ist ein ähnlicher Irrglaube auch heute weitverbreitet. Insbesondere unter denjenigen, die behaupten, ein Land müsse mehr aus- als einführen. Dieses Ziel versuchen sie mit entsprechenden verfehlten politischen Maßnahmen zu erreichen. Der wahre Wohlstand einer Nation bemisst sich danach, inwieweit sie in nachhaltiger Weise einen hohen Lebensstandard für all ihre Bürger gewährleisten kann. Dies wiederum hat mit nachhaltigen Produktivitätssteigerungen zu tun.
Diese basieren teils auf Investitionen in Sachanlagen, aber hauptsächlich in Wissen und in der Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung. Denn dies stellt sicher, dass die verfügbaren Ressourcen nicht vergeudet werden beziehungsweise einfach ungenutzt bleiben. Adam Smith, der zu Beginn der industriellen Revolution schrieb, konnte jedoch nicht absehen, was heutzutage den wirklichen Wohlstand von Nationen hervorbringt. Das vergleichsweise hohe Wohlstandsniveau in Großbritannien zu damaligen Zeit und im nachfolgenden Jahrhundert verdankte sich größtenteils der Ausbeutung der Kolonien.
Große Märkte fördern die Spezialisierung
Adam Smith konzentrierte sich jedoch weder auf die Exporte noch auf die Ausbeutung der Kolonien. Sein Interesse galt der Rolle von Industrie und Handel. Er wies darauf hin, dass große Märkte die Spezialisierung förderten. Das waren wichtige Erkenntnisse, aber auf die Grundlagen des Wohlstands in einer modernen Volkswirtschaft ging er nicht ein. Er befasste sich nicht mit Forschung und Entwicklung oder dem Erwerb neuen Know-hows aufgrund praktischer Erfahrungen.
Das hatte laut Joseph Stiglitz einen einfachen Grund: „Technische und Wissensfortschritte spielten in der Wirtschaft des 18. Jahrhunderts nur eine geringe Rolle.“ Zu Adam Smiths Zeiten stagnierte der Lebensstandard bereits seit Jahrzehnten. Bald nach ihm vertrat der Ökonom Thomas Malthus die Auffassung, eine wachsende Bevölkerung werde die Löhne auf Subsistenzniveau halten. Falls die Löhne jemals darüber ansteigen, würde die Bevölkerung wachsen und den Lohn wieder auf Subsistenzniveau drücken. Ein steigender Lebensstandard wäre damit schlichtweg ausgeschlossen. Robert Malthus sollte sich gründlich irren. Quelle: „Der Preis des Profits“ von Joseph Stiglitz
Von Hans Klumbies