Der Kapitalismus droht vollends zu kollabieren

Joseph Stiglitz kritisiert in seinem neuen Buch „Der Preis des Profits“, dass es seit der Finanzkrise des Jahres 2008 nicht gelungen ist, den Kapitalismus wirksam zu reformieren. Seiner Meinung nach ist sogar das Gegenteil eingetreten: Er droht vollends zu kollabieren. Joseph Stiglitz zählt folgende Missstände auf: „Die Finanzindustrie schreibt sich ihre eigenen Regeln; die großen Tech-Firmen beuten unsere persönlichen Daten aus; die Machtballung in der Industrie nimmt zu und der Staat hat seine Kontrollfunktion praktisch aufgegeben.“ Der Autor erklärt, wie es dazu kommen konnte und warum es, was nicht zuletzt das Beispiel Donald Trump zeigt, dringend nötig ist, den Kapitalismus vor sich selbst zu schützen. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Die Demokratie in den USA ist bedroht

Neoliberale Doktrinen, die in den USA unter dem Oberbegriff „Angebotspolitik“ bekannt sind, haben in den letzten vierzig Jahren überall auf der Welt die Wirtschaftspolitik geprägt. Nicht zuletzt beeinflussen sie entscheidend die Ordnungsrahmen der Eurozone. Die Doktrinen macht Joseph Stiglitz für folgende fatale Entwicklungen verantwortlich: „Geringeres Wirtschaftswachstum, weitgehende Stagnation des Einkommens bei 90 Prozent der Bevölkerung, deutliche Zuwächse nur bei den Spitzenverdienern und ein nichtnachhaltiges Wirtschaftsmodell.“

Joseph Stiglitz hat das Buch „Der Preis des Profits“ vor allem als Reaktion auf beunruhigende Ereignisse in den USA geschrieben. Beispielsweise zeigt sich dort bei Großkonzernen inzwischen ein verstörendes Maß an moralischer Verkommenheit, und das betrifft keineswegs nur den Finanzsektor. Dies wiederum führte zur Opioid-Krise und trug zu der Diabetes-Epidemie bei Kindern und zur Klimakrise bei. Zudem sind die zentralen Institutionen der amerikanischen Demokratie, einschließlich einer freien Presse, einer unabhängigen Justiz und frei forschenden Hochschulen heutzutage ständigen Angriffen ausgesetzt.

Noch kann der Kapitalismus vor sich selbst gerettet werden

„Der Preis des Profits“ macht für die gegenwärtigen Probleme ganz direkt in erster Linie den Neoliberalismus verantwortlich, also die Überzeugung, „der Markt wird es schon richten“. Ganz im Gegenteil: Der Markt brachte die tiefe soziale Spaltung in den USA, die Finanz- und Klimakrise hervor. Er allein wird keine diese Horrorszenarien bewältigen. Für jene Krise, bei der besonders dringender Handlungsbedarf besteht, gilt: „Wenn wir den Planeten retten wollen, müssen wir die Treibhausemissionen drastisch reduzieren, und nur der Staat kann einen verbindlichen Ordnungsrahmen setzen, der dies ermöglicht.“

Die Verwirklichung größerer Gleichheit ist für Joseph Stiglitz nicht nur eine Frage der Moral oder der wirtschaftlichen Vernunft, sondern es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als das Überleben der Demokratie. Dieses Buch hat Joseph Stiglitz in der Hoffnung und in der Überzeugung geschrieben, dass eine andere Gesellschaft möglich ist und es genug Menschen gibt, die ebenfalls daran glauben. Joseph Stiglitz zieht folgendes Fazit: „Sachgerecht gestaltete, gut regulierte Märkte, die mit Behörden und einem breiten Spektrum zivilgesellschaftlicher Institutionen zusammenarbeiten, sind der einzige Weg in eine nachhaltige, dem Gemeinwohl verpflichtende Zukunft.“ Es ist noch nicht zu spät, um den Kapitalismus vor sich selbst zu retten.

Der Preis des Profits
Wir müssen den Kapitalismus vor sich selbst retten!
Verlag: Siedler
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten, Auflage: 2020
ISBN: 978-3-8275-0136-3, 25,00 Euro

Von Hans Klumbies

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