Für Geld machen Menschen fast alles

Es gibt eine ökonomische Theorie der Motivation. Sie unterstellt, dass man so gut wie jeden Menschen dazu bringen kann, so gut wie alles zu tun, wenn man ihm nur genug Geld dafür zahlt. Da Geld alle anderen Motivationen ersetzen kann, betrachten es die meisten Ökonomen als austauschbar mit allen anderen Motivationen. Sie sehen darin gewissermaßen eine neutrale gemeinsam Währung, in der man sämtliche Motivationen ausdrücken kann. Jonathan Aldred stellt fest: „Das ergibt ein eindimensionales Bild der menschlichen Motivation, nach dem Geld ganz einfach zu bereits vorhandenen Motiven hinzukommt oder ersetzt, falls sie nicht vorhanden sind.“ Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Geld kommt mit psychischem Gepäck daher

Aber Geld – oder, allgemeiner ausgedrückt, materielle Nutzen und Kosten – kann diese neutrale Rolle nicht spielen. In der realen Welt kommt Geld mit psychischem Gepäck. Ganz so, wie ein Geschenk beim Empfänger Dankbarkeit oder Ablehnung erzeugen kann. Je nachdem, wie er die Motive des Schenkenden sieht, kann auch ein finanzieller Anreiz ein breites Spektrum an Reaktionen hervorrufen. Häufig beruht eine intrinsische Motivation auf einem Gefühl der moralischen Verpflichtung.

Krankenschwerstern, Ärzte und Lehrer werden beispielsweise stark motiviert von der immanenten Wichtigkeit ihrer beruflichen Arbeit. Und diese intrinsische Motivation kann untergraben werden, wenn der Arbeitgeber plumpe finanzielle Anreize anbietet. In der gleichen Weise wie nachdrücklichere Formen der Machtausübung senden finanzielle Anreize ein Signal aus. Und zwar über die Überzeugungen und Motive der Menschen, die sie einsetzen. Es ist die bekannte Tragödie des 21. Jahrhunderts. Die Menschen passen ihr Verhalten dem zynischen, misstrauischen Bild, das Ökonomen von ihnen haben, an.

Manchmal funktionieren finanzielle Anreize

Die Überzeugung, dass „jeder Mensch käuflich ist“, entwickelt sich zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. In manchen Kontexten funktionieren finanzielle Anreize jedoch durchaus so, wie die Ökonomen, die sie entwickelten, das beabsichtigten. Im Jahr 2002 wurde in Irland eine kleine Abgabe in Höhe von 15 Pence auf Plastikeinkaufstüten eingeführt. Innerhalb von zwei Wochen ging der Verbrauch an Plastiktüten um 94 Prozent zurück.

Dabei ist es jedoch entscheidend, dass der finanzielle Anreiz nicht isoliert eingesetzt wurde. Die Regierung appellierte sowohl an das Gefühl der sozialen Verpflichtung als auch an den Wunsch, die Abgabe zu vermeiden. Im Rahmen einer großen Publicitykampagne klärte man die Öffentlichkeit darüber auf, wie weggeworfene Plastiktüten im Meer enden und der Meeresfauna schaden. Während der Rest auf Mülldeponien landet und dort Jahrhunderte braucht, um zersetzt zu werden. Und bevor man die Abgabe einführte, fand eine öffentliche Debatte statt. Diese bewirkte, dass die meisten Einzelhändler, Verbraucherverbände und Umweltschutzgruppen die Abgabe unterstützten. Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred

Von Hans Klumbies

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