John Searles sieht sich die Konstruktion der Gesellschaft ganz genau an

Nur der Mensch verfügt über die Fähigkeit Personen oder Dingen Funktionen zuzuweisen. Die Natur dagegen weiß nichts von Funktionen. Einige Gegenstände stellen Unternehmen direkt für spezifische Funktionen her. John Searle, Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley, nennt dafür als Beispiele die Badewanne, den Schraubenzieher oder den Computer. Andere natürliche Dinge kann der Mensch sozusagen zweckentfremden – beispielsweise einen Baumstamm als Bank, einen Stein als Briefbeschwerer oder einen Ast als Hebelwerkzeug. John Searle erklärt: „Um eine Funktion auszuführen, muss einem Objekt und namentlich einer Person ein Status zugeschrieben werden.“ Er nennt als Beispiele den Präsidenten, den Ehepartner oder den Bürger. Alle institutionellen Tatsachen verdanken ihre Existenz performativen Sprechakten, nämlich Deklarationen: „Wir ernennen X zum Vorsitzenden“; „Hiermit ist der Krieg erklärt“, „Wir verurteilen sie zu …“.

Die Formel für die Zuweisung von Statusfunktionen lautet: „X zählt als Y in K“

Derartige Deklarationen verändern laut John Searle die Welt, indem sie soziale Tatsachen schaffen wie beispielsweise Staatsverfassungen, deren Regeln als andauernde Deklaration gelten. Die konstitutive Regel für die Zuweisung für Statusfunktionen definiert John Searle mit der einfachen Formel: „X zählt als Y in K“. Das heißt, ein bedrucktes Stück Papier (X) hat die Funktion und den Status eines 20 Dollarscheins (Y) in den Vereinigten Staaten (K). John Searle erklärt: „Geld ist Geld, weil die Teilnehmer an der Institution es als Geld ansehen. Wenn diese Papierstücke nicht mehr für Geld gehalten werden, hören sie auf, Geld zu sein.“

Bei der Schaffung sozialer Tatsachen sind laut John Searle der Phantasie oder der Imagination kaum Grenzen gesetzt. Dabei ist allerdings die kollektive Akzeptanz oder genauer die kollektive Intentionalität zur Schaffung gesellschaftlicher Tatsachen unerlässlich. John Searle definiert die Intentionalität als die geistige Fähigkeit des Menschen, sich auf Dinge oder Geschehnisse in der Welt zu beziehen, etwa durch Überzeugungen und Absichten oder Wünsche und Hoffnungen.

Die Pflicht und Schuldigkeit hält die menschlichen Gesellschaften zusammen

Das menschliche Verhalten ist für John Searle eine Manifestation kollektiver Intentionalität, die ein biologisch, ursprüngliches, vorsprachliches Phänomen sui generis ist, das sich keinesfalls auf die individuelle Intentionalität reduzieren lässt. John Searle sagt: „Die durch deklarative Sprechakte geschaffenen institutionellen Tatsachen, sind mit Rechten und Pflichten, mit Verbindlichkeiten und Verantwortung verbunden, es ist ihnen deontische Macht eigen, und die sei, der Klebstoff, der menschliche Gesellschaften zusammenhält.

Die Basis der Macht der Pflichten und Schuldigkeiten erkennt John Searle in der Sprache, denn ohne sie würde es keine Verpflichtungen geben. Die Sprache ist aber ihrerseits seiner Meinung nach nicht durch Deklaration wie die übrigen sozialen Institutionen geschaffen worden. John Searle erklärt: „Für Sprache benutzende menschliche Wesen kann es nicht so etwas wie einen Naturzustand geben.“ Im Suhrkamp Verlag ist in diesem Jahr von John Searle das Buch „Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zur Ontologie sozialer Tatsachen“ erschienen.

Von Hans Klumbies