Kulturen können schnell untergehen

Die neolithische Revolution ist, genau betrachtet, ein bis heute andauernder Prozess. Joachim Bauer stellt fest: „Die durch den Menschen vollzogene Unterwerfung der Natur war ein Abenteuer ohnegleichen. Dieses Abenteuer bot und bietet der Menschheit bis heute gewaltige Chancen der technischen und kulturellen Entfaltung.“ Es war und ist zugleich aber mit erheblichen Risiken verbunden, den Untergang eingeschlossen. Die Risiken können den inneren Zustand einer Zivilisation betreffen, insbesondere soziale Verwerfungen und nicht mehr steuerbare innergesellschaftliche Konflikte. Vor allem zum Untergang von Kulturen beigetragen haben aber durch zivilisatorische Aktivitäten verursachte ökologische Krisen. Schwere ökologische Krisen sind dabei keine vorübergehende Erscheinung, die sich durch Abwarten überstehen lassen. Sondern sie können das Ende einer Kultur bedeuten, und dies in überraschend kurzer Zeit. Joachim Bauer ist Arzt, Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Bestsellerautor von Sachbüchern.

Die Menschheit ist eine Schicksalsgemeinschaft

Die Untergangsszenarien, denen frühere Kulturen zum Opfer fielen, unterscheiden sich von der heutigen Situation allerdings in einem entscheidenden Punkt. Der Untergang früherer Imperien beziehungsweise Staaten war, global und mit Blick auf die Menschheit als Ganzes gerichtet, ein regionales Ereignis. Joachim Bauer betont: „Was heute auf dem Spiel steht, ist der Globus als Ganzes. Wir sind heute eine globale Schicksalsgemeinschaft. Das müssen wir schnellstens begreifen.“

Ersten kleinen Siedlungen, die bis auf das 10. Jahrtausend vor Christus zurückgehen, folgte das Entstehen größerer Ansammlungen, sogenannten Mega-Sites. Diese hatten den Umfang von Dörfern und waren bis zu mehreren Tausend Menschen besiedelt. Einen ersatzlosen, abrupten Abbruch zeigen bereits einige der frühesten Orte menschlicher Sesshaftwerdung. Am rätselhaftesten war und ist das Ende von Göbekli Tepe, einer im 10. vorchristlichen Jahrtausend errichteten Anlage. Das mit übermannshohen Stelen versehene Ensemble wurde, bevor man es aufgab, von seinen Erbauern beziehungsweise von deren Nachkommen komplett aufgeschüttet.

Viele Siedlungen wurden wieder aufgegeben

Die Anlage war damit vom Erdboden verschwunden und blieb so auf sensationelle Weise bis heute erhalten. Nicht nur Göbekli Tepe, auch andere Siedlungen, unter ihnen die Mega-Sites, gab man bis zum Beginn des 7. Jahrtausends vor Christus wieder auf. Josef Bauer erklärt: „Die Besiedlung erstreckte sich meist über einige Hundert Jahre. Ein Teil der Bewohner wurde zu Migranten, zog also weiter, gründete an anderer Stelle neue Siedlungen oder schloss sich bereits anderswo bestehenden Siedlungen an.“

Andere wiederum gaben das sesshafte Leben gänzlich wieder auf und lebten mit ihren Tierherden fortan als Nomaden und Hirten. Über die Gründe der Aufgaben von Siedlung existieren viele Spekulationen. Denkbar ist, dass das außerordentlich dichte Zusammenleben innerhalb der Siedlungen entweder Krankheiten oder soziale Konflikte nach sich zog, die mit der Zeit nicht mehr beherrschbar waren. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit ist, dass das Verschwinden von Jagdwild un die Austrocknung von Wasserläufen, die überlebenswichtigen Grundlagen vernichtete. Quelle: „Fühlen, was die Welt fühlt“ von Joachim Bauer

Von Hans Klumbies