Jeremy Rifkin hofft auf ein Zeitalter der Resilienz

In seinem neuen Buch „Das Zeitalter der Resilienz“ beschreibt den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen globalen Weg vom Zeitalter des Fortschritts zur Epoche der Resilienz. Die Menschheit erkennt allmählich, dass sie und ihre Mitgeschöpfe auf einen Abgrund zusteuern, von dem es kein Zurück mehr gibt. Die Warnung, dass der von Menschen gemachte Klimawandel das sechste Massensterben auf der Erde verschuldet, ist inzwischen auch im politischen Mainstream angekommen. Das Zeitalter des Fortschritts ist tot und wartet nur noch auf seine Obduktion. Heute geht es immer und überall darum, wie sich die Menschheit am besten an das drohende Chaos „anpassen“ kann. „Resilienz“ oder Widerstandsfähigkeit ist dabei ein Schlagwort, auf das man dabei immer wieder stößt. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington.

Das „ökologische Kapital“ ersetzt das Finanzkapital

Jeremy Rifkin schreibt: „Wir stehen am Beginn einer neuen Reise, auf der wir neu über unsere Spezies und ihren Platz auf der Erde nachdenken müssen und die Natur unsere Schule ist.“ Das erfordert ein philosophisches und psychologisches Umdenken und einen fundamentalen Einstellungswandel. Es handelt sich dabei um einen Umbruch, der die vollständige Neuausrichtung der Verortung des Menschen in Raum und Zeit verlangt. Die Umorientierung von der Effizienz zur Anpassungsfähigkeit geht mit umfassenden Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft einher.

Mit dem anbrechenden Zeitalter der Resilienz wird ab der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts ein neues Wirtschaftsparadigma aufkommen, und das Finanzkapital – das Herz des Industriezeitalters – wird durch eine neue Wirtschaftsordnung auf der Grundlage des „ökologischen Kapitals“ ersetzt. Diese zeitliche Umorientierung geht Hand in Hand mit einer grundlegenden räumlichen Umorientierung. Diese ist bereits in einem veränderten Umgang mit dem Raum spürbar.

Ein neues komplexes Denken betrachtet die Natur als Lebensquelle

Im Zeitalter der Resilienz müssen die Menschen ihre Empathie vertiefen und die nächste Phase der empathischen Erweiterung anstreben. Nämlich ein biophiles Bewusstsein, das die Menschheit in die Familie des Lebens zurückführt. Jeremy Rifkin schreibt: „Unser mitfühlendes Gehirn hält uns fortwährend an, über uns hinauszugehen, das Leben zu erfahren und mit dieser Erfahrung Verbindung zu unserer Umwelt herzustellen und uns ihr anzupassen.“ Ohne dieses Mitgefühl wäre kein Mensch in der Lage, die Zerbrechlichkeit des Lebens eines anderen Menschen und sein Streben nach Entfaltung zu spüren.

Der verwilderte Planet Erde wird den kollektiven Mut der Menschheit auf die Probe stellen. Jeremy Rifkin hofft, dass dieser Weg, den der Homo sapiens im Zeitalter der Resilienz einschlägt, in einen neuen Garten Eden führt. Nur diesmal nicht als Herrscher, sondern als Gleichgesinnter aller Mitlebewesen, mit denen er seine irdische Heimat teilt. Um dies zu erreichen, ist ein Denken in komplexen adaptiven Systemen gefordert. Dieser neue Ansatz begreift die Natur nicht als Rohstoff. Sondern er betrachtet sie als Lebensquelle und die Erde als komplexes, sich selbst organisierendes System.

Das Zeitalter der Resilienz
Leben neu denken auf einer wilden Erde
Jeremy Rifkin
Verlag: Campus
Gebundene Ausgabe: 359 Seiten, Auflage: 2022
ISBN: 978-3-593-50664-7, 32,00 Euro

Von Hans Klumbies