Jeder Mensch ist einzigartig

Die drei Begriffe Individuum, Personalität und Subjektivität gehören eng zusammen und bezeichnen – wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven – dasselbe. Nämlich den Menschen in seiner Einzigartigkeit, Würde seiner Erscheinung, Selbststeuerung – als Hochwerte der abendländischen Kulturgeschichte. Silvio Vietta ergänzt: „Keine andere Kultur hat dem Einzelmenschen eine solche Hochschätzung widerfahren lassen wie die abendländische. Die asiatischen und die meisten indigenen Kulturen ordnen vielmehr den Einzelmenschen dem Kollektiv unter.“ Ihm kommt dort nicht ein solcher Hochwert zu, wie in der abendländischen Kultur, und dies aus unterschiedlichen Begriffstraditionen heraus. In den drei Begriffen mischen sich bereits Elemente der rationalen Kultur mit denen der christlichen. Insbesondere der Begriff der „Persönlichkeit“ kommt aus der römischen Theatertradition, wird dann christlich-theologisch überformt und schließlich auch durch die rationale Philosophie starkgemacht. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

Für Demokrit ist der Mensch „eine kleine Welt“

Der Begriff der „Individualität“ bezieht sich zunächst gar nicht auf den Humanbereich. Mit „individua“ übersetzt Cicero das griechische Wort „atoma“. Also jene elementaren und, wie Demokrit meinte, unzerstörbaren Teilchen, aus denen der Kosmos zusammengesetzt sei. Silvio Vietta erklärt: „Demokrit begriff den Menschen auch schon als „eine kleine Welt“, also als einen Mikrokosmos im Makrokosmos. Der Begriff der Individualität akzentuiert als das Moment der in-sich-geschlossenen Einheit eines Teilchens im Ganzen des Kosmos.“

Das Mittelalter und die frühe Neuzeit nennen diese Einheiten „individuelle Substanzen“, der deutsche Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz nennt sie „Monaden“: „So sind denn die Monaden die wahren Atome der Natur und – die Elemente der Dinge.“ Hier aber kommt nun das Individualitätsprinzip zur Geltung: „Es muss sogar jede einzelne Monade von jeder anderen verschieden sein.“ Leibniz geht über die Mechanik seiner Zeit entschieden hinaus, wenn er allen Monaden eine Art von Perzeption als Wahrnehmung zuspricht.

Jeder Mensch ist sein eigenes Welt-Zentrum der Erkenntnis

Diese reicht in verworrener oder klarerer Form bis hinauf zu ihrem Schöpfer-Gott und diesen somit in sich trägt und spiegelt. Gottfried Wilhelm Leibniz hat erkannt, dass die elementaren Bausteine der Natur keine toten Elemente sind, sondern aktive, geistbeseelte Teilchen. Silvio Vietta erläutert: „Er nimmt an, dass es keine absolute Grenze gibt zwischen der dinglichen und humanen Monade, dass vielmehr jede einfache Substanz Beziehungen enthält, welche die Gesamtheit der anderen zum Ausdruck bringen, und dass sie infolge dessen ein lebendiger, immerwährender Spiegel des Universums ist.“

Der Mensch ist in dieser Weltanschauung selbst eine individuelle Monade, die aber in ihrer Individualität zugleich auch in einem kosmischen Zusammenhang steht. Dieser reicht hinauf bis zum Schöpfer-Gott. Durch die Individualität jeder menschlichen Monade kommt dieser auch eine je eigene Bewusstseinsform und damit eigene Perspektive auf die Welt zu. Jede menschliche Monade ist somit sein eigenes Welt-Zentrum der Erkenntnis. Jeder Mensch hat seine eigene individuelle Wahrnehmung der Welt in der Welt. Quelle: „Europas Werte“ von Silvio Vietta

Von Hans Klumbies

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