Jeder Mensch ist ein komplexer Prozess

Verschiedene Komponenten begründen die Identität eines Menschen. Carlo Rovelli erläutert: „Als Erstes identifiziert sich jeder von uns mit einem Standpunkt zur Welt. Die Welt spiegelt sich in jedem von uns über ein reichhaltiges Spektrum von für unser Überleben wesentlichen Korrelationen wider.“ Jeder Mensch ist ein komplexer Prozess, der die Welt reflektiert und deren Informationen integriert in sich aufnimmt. Die zweite Zutat, welche die Identität eines Menschen ausmacht, ist dieselbe wie beim Wagen. Beim Reflektieren der Welt organisiert man sie in Untereinheiten. Man denkt die Welt, indem man ein Kontinuum aus mehr oder weniger uniformen Prozessen möglichst gut zusammenstellt. Man unterteilt sie dann in kleine Teile, um mit ihnen besser integrieren zu können. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

Das Nervensystem empfängt Sinnesdaten

Menschen gruppieren beispielsweise eine Menge aus Felsen zu einer Einheit zusammen, die sie Monte Bianco nennen. Sie denken sie dabei als einheitliche Sache. Menschen zeichnen Linien in die Welt, die sie in Stücke unterteilen. Sie legen Grenzen fest, machen sich die Welt zu eigen, indem sie sie in Stücke schneiden. Auf diese Art funktioniert das menschliche Nervensystem. Es empfängt eingehende Sinnesdaten, verarbeitet kontinuierlich Informationen und generiert Verhalten.

Das Nervensystem erledigt dies über vernetzte Neuronen, die flexible dynamische Systeme bilden. Diese verändern sich dadurch, dass sie – soweit möglich – den eigehenden Fluss an Informationen zu antizipieren suchen. Carlo Rovelli ergänzt: „Dazu entwickeln sich die neuronalen Netze weiter, indem sie mehr oder weniger feste Bezugspunkte in ihrer Veränderlichkeit zu wiederkehrenden Mustern verarbeiten.“ Diese finden sie in der eingehenden Information oder indirekt in den Abläufen der Verarbeitung. Darauf deuten die Ergebnisse der brillanten aktuellen Forschungen zum Gehirn hin.

Das Verständnis der Gehirnfunktion nimmt zu

Demnach sind die „Dinge“ wie die „Begriffe“ Fixpunkte in der neuronalen Dynamik. Sie sind entstanden anhand wiederkehrender Strukturen in den sensorischen Eingaben und im Prozess der darauffolgenden Verarbeitung. Sie spiegeln eine Kombination von Aspekten der Welt wider, die von wiederkehrenden Strukturen in der Welt und deren Bedeutung in der Interaktion mit den Menschen abhängen. Dies ist ein Wagen. David Hume hätte sich gefreut, von diesen Fortschritten beim Verständnis der Gehirnfunktion zu erfahren.

Carlo Rovelli weiß: „Insbesondere fügen wir die Gesamtheit der Prozesse, welche die anderen Menschen als lebende Organismen darstellen, zu einem einheitlichen Bild zusammen, weil wir ein soziales Leben führen und deshalb mit vielen von ihnen interagieren.“ Sie sind Knoten von Ursachen und Wirkungen mit erheblicher Bedeutung für das eigenen Selbst. In der Interaktion mit den Mitmenschen hat sich jeder Einzelne eine Vorstellung vom „Menschsein“ geschaffen. Quelle: „Die Ordnung der Zeit“ von Carlo Rovelli

Von Hans Klumbies

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