Jede Generation ist von ihrer Einzigartigkeit überzeugt

Kann man überhaupt noch hoffen in dieser Zeit? Man fürchtet sich vor Dingen, vor denen man sich fürchten sollte, die jegliches menschliches Maß übersteigen. Philipp Blom ergänzt: „Wir leben in einer Zeit, in der eine Ordnung zusammenbricht und eine neue noch nicht entstanden ist und vielleicht sobald nicht entstehen wird.“ Jede Generation glaubt von sich, einzigartig zu sein und vor dem Ende der Welt zu stehen, vor der Apokalypse. Schon immer liefen Propheten herum, die so etwas predigten – aber diesmal ist es wahr. Anscheinend fühlen wir uns jedoch in der Kommunikation miteinander zum Optimismus verpflichtet und wollen uns auch angesichts der schrecklichsten Neuigkeiten gerne noch an einem Silberstreif am Horizont erfreuen. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford. Er lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Die Menschheit befindet sich in einer dreifachen existenziellen Krise

Zum Recht auf Optimismus kommt der vermeintliche Anspruch auf das Glück. Philipp Blom erklärt: „Viele Menschen meinen heute, dass sie ein Recht darauf haben, in Sicherheit und Wohlstand zu leben. Eine historische Vision schrumpft ihnen zu einem Verbraucherrecht.“ Sie führen ein Leben mit Sicherheitskonzept und Schutzweste, mit Garantie, Rückgaberecht, Kreditplan, Verbraucherschutz, DIN-Normen, Zulassungsprozessen und Zertifizierung. Jede Enttäuschung kann in eine Beschwerde münden, in eine Klage, in eine Verurteilung.

Die Menschheit befindet sich in einer dreifachen existenziellen Krise, die sich in zahllose kleinere aufsplittert, die sich vielfach überlappen. Philipp Blom erläutert: „Die drei ineinandergreifenden Arme dieser Krise sind die Erderhitzung, der Zusammenbruch der Artenvielfalt und die Risiken der Digitalisierung und künstlicher Intelligenz.“ Jede davon hat das Potenzial, einen Großteil des Lebens auf diesem Planeten auszulöschen oder zumindest zutiefst zu beschädigen oder zu vermindern.

Naturkatastrophen und extreme Wettersituationen häufen sich

Jede von ihnen hat bereits heute immense Ausmaße und unabschätzbare, unvorstellbare Konsequenzen. Hier sind sie, die apokalyptischen Reiter. Philipp Blom kennt sie: „Ein Temperaturanstieg um drei Grad – und darauf läuft noch immer alles hinaus – könnte einen großen Teil der Menschheit zur Flucht aus ihrer angestammten Heimat zwingen, verheerende Krieg um Wasser und Land verursachen, die Küstenlinien der Welt verändern, Ozeanströmungen und Wettersysteme umkehren, enorme Landstriche versteppen lassen und immense Mengen von Methan freisetzen.“

Daneben könnte die globale Wirtschaft und auch moderne Staaten zusammenbrechen, ganz abgesehen vom Effekt der apokalyptischen Reiter auf natürliche Organismen und ganze Ökosysteme, die ohne ausreichende Zeit zur Anpassung zum Zusammenbruch verurteilt sind, während Kaskaden von Arten verschwinden und tiefe Löcher in das Netz des Lebens reißen. Philipp Blom fügt hinzu: „Zusammen mit den immer häufigeren Naturkatastrophen und extremen Wettersituationen wäre das an sich schon eine Apokalypse.“ Quelle: „Hoffnung“ von Philipp Blom

Von Hans Klumbies