Der Nationalismus ist eine Inszenierung der Macht

Die Gründe für den Aufstieg des Rechtspopulismus sind für Jan-Werner Müller keineswegs identisch. Radikale Rechtspopulisten haben allerdings ähnliche Strategien entwickelt. Und vielleicht könnte man sogar von einer gemeinsamen autoritär-populistischen Regierungskunst sprechen. Vereinfacht gesagt basiert diese auf Nationalismus, durch die Aneignung des Staates durch eine Partei und auf der Nutzung der Wirtschaft als Waffe zur Sicherung der politischen Macht. Das führt zu einer Mischung aus Kulturkampf, Patronage und dem, was Politikwissenschaftler Massenklientelismus nennen würden. Wobei der Nationalismus oft mehr eine Art Stimulierung von Souveränität ist. Er ist eine Inszenierung der Macht des „Volkswillens“ in Form von vermeintlich starken Gesten starker Männer. Tatsache ist, dass die heutigen Gefahren für die Demokratie mit vielen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts kaum noch etwas gemein haben. Jan-Werner Müller ist Roger Williams Straus Professor für Sozialwissenschaften an der Princeton University.

Es wird Hass auf verwundbare Minderheiten geschürt

Insbesondere der Faschismus – im Unterschied zum Autoritarismus oder Rassismus im Allgemeinen – erlebt heutzutage keine Wiederauferstehung. Jan-Werner Müller stellt fest: „Wir sehen nicht die massenhafte Mobilisierung und Militarisierung ganzer Gesellschaften.“ Und auch wenn Hass auf verwundbare Minderheiten geschürt wird, gibt es doch keinen systematischen Kult der Gewalt. Dasselbe gilt für die durchgängige Umgestaltung ganzer Staaten auf rassistischer Grundlage.

Alle halten es für wichtig, aus der Geschichte zu lernen, aber man unterstellt stillschweigend, dass immer nur gute Menschen etwas lernen. Gerade weil Massengewalt ein nationales wie internationales Publikum an historische Ereignisse erinnern könnte, sieht man relativ wenig davon. Viele gebrauchen den Ausdruck „Populismus“ bislang so, als wäre seine Bedeutung völlig klar. Das ist bekanntlich aber nicht der Fall. Es ist irreführend, Populismus mit „Kritik an Eliten“ oder mit „Anti-Establishment-Einstellungen“ gleichzusetzen.

Die Populisten wollen das „wahre Volk“ repräsentieren

Nun trifft es jedoch zu, dass Populisten die Regierung und in der Regel auch alle anderen Parteien kritisieren, solange sie in der Opposition sind. Vor allem tun sie noch etwas anderes und das ist entscheidend. In der einen oder anderen Weise erheben sie den Anspruch, sie und nur sie allein repräsentieren das, was Populisten häufig als das „wahre Volk“ oder die „schweigende Mehrheit“ bezeichnen. Auf den ersten Blick mag das nicht besonders gefährlich klingen.

Es ist nicht unmittelbar identisch mit Rassismus oder beispielsweise einem fanatischem Hass auf die Europäische Union. Jan-Werner Müller betont: „Dennoch hat dieser vor allem moralische Alleinvertretungsanspruch für die Demokratie schädliche Auswirkungen.“ Wenn Populisten behaupten, nur sie sprächen für das Volk, erklären sie immer gleich, alle Mitwettbewerber um die Macht seinen grundsätzlich illegitim. Zudem beschuldigen sie ihre Rivalen, dass diese korrupt wären und aufgrund ihres schlechten Charakters nie den Interessen des Volkes dienen würden. Quelle: „Freiheit, Gleichheit, Ungewissheit“ von Jan-Werner Müller

Von Hans Klumbies