Innovationen sind wie Vorboten einer goldenen Zukunft

Neue Technologien erzeugen nicht nur eine kurze, vergängliche Euphorie, weil sie den Horizont des Bekannten übersteigen. Christian Uhle ergänzt: „Sie sind auch mit ausgesprochenen oder unausgesprochenen Versprechen eines besseren Lebens verbunden. Innovationen glänzen verheißungsvoll, sie sind wie Vorboten einer goldenen Zukunft.“ In Werbespots oder Zukunftsvisionen werden diese Versprechen unmittelbar sichtbar. An anderen Stelle schwingen sie unausgesprochen mit, narrative Tiefenstruktur des sogenannten Fortschritts. Man kann diese Entwicklung besser verstehen und bewusster gestalten, wenn man diesen Treibstoff unter die Lupe nimmt. In seinem Buch „Künstliche Intelligenz und echtes Leben“ geht Christian Uhle einigen dieser Technologieversprechen – und insbesondere solchen eines sinnerfüllten Lebens – nach. Er versucht sie einzuordnen und überlegt, ob sie realistisch sind und wir tatsächlich auf eine bessere Zukunft zusteuern oder ob es leere, trügerische Versprechen sind, die uns an der Nase herumführen. Der Philosoph Christian Uhle hat als Wissenschaftler zu gesellschaftlichen und technologischen Transformationen geforscht.

Technologie verspricht ein besseres Leben

Der Anspruch seines Buches ist es weder, eine kohärente Theorie unserer von Künstlicher Intelligenz (KI) zu entwickeln, noch vollständig alle Facetten des Themas KI zu beleuchten. Vielmehr geht es Christian Uhle darum, den Blick auf eine Reihe ausgewählter Aspekte zu richten, die ihm häufig zu kurz gekommen scheinen: Werden Künstliche Intelligenzen und digitale Services dazu führen, dass mehr Menschen ihr Leben als sinnvoll erfahren? Wie können wir die Entwicklung diesbezüglich in eine positive Richtung lenken?

Ein zentrales Versprechen von Technologie lautet: Unser Leben soll besser werden. Und „besser“ heißt vor allem komfortabler und bequemer. Christian Uhle erklärt: „Lästige Aufgaben werden vereinfacht, beschleunigt oder gar ersetzt. Dadurch wachsen die Freiräume für sinnvolle Tätigkeiten.“ Mit anderen Worten: Weniger benötigte Zeit für das, was man tun muss, mehr freie Zeit für das, was man tun will. So wirbt Waze, ein Konkurrent von Google Maps, explizit damit, durch die Nutzung der App wertvolle Zeit zu sparen.

Zeit ist die wertvollste Ressource des Lebens

Und es stimmt ja, wenn man dank Navigation die kürzeste Route nimmt und Staus vermeidet, sind das bare Minuten, die man früher ankommt. Auch vernetzte Systeme werden mit ähnlichen Narrativen verknüpft, so schwärmt das Branchenmagazin „Control“: „Zeit ist die wertvollste Ressource unseres Lebens und als Sterbliche können wir sie niemals zurückerlangen. Es ist selten, dass wir eine Gelegenheit bekommen, auf einen Schlag große Mengen an Zeit zu sparen. Genau darum geht es jedoch bei der Automatisierung.“

Und Samsung bewirbt ein Smartphone damit, dass es uns hilft, „das meiste aus jeder Minute herauszuholen, im Büro wie auch außerhalb davon“. Christian Uhle stellt fest: „Digitale Innovationen werden also häufig mit dem Versprechen verkauft, uns zu entlasten und mehr Zeit zu schenken für das, was wirklich zählt.“ Dank Mähroboter muss der Rahmen nicht mehr mit eigenem Körpereinsatz auf die Wunschlänge gebracht werden – wir können uns währenddessen zurücklehnen, einkaufen oder ein Buch lesen. Quelle: „Künstliche Intelligenz und echtes Leben“ von Christian Uhle

Von Hans Klumbies