Menschen fühlen sich verantwortlich, wen sie etwas im wahrsten Sinne des Wortes existenziell angeht, es sie berührt und betrifft – und eben dann handeln sie entsprechend. Dabei ist die Liebe der sicherste Grund für das, was Menschen tun oder lassen. Es gibt ein Grundgefühl, das Menschen verpflichtet, etwas zu tun, auch wenn andere Gefühle wie Angst oder Hilflosigkeit damit kollidieren und sie verunsichern können. Ina Schmidt schreibt: „Denken wir noch einmal an die Methode einer „Hermeneutik der Liebe“, an die Fähigkeit, die Klaviatur des liebevollen Zugangs zu den Dingen verstehen und spielen zu lernen. In all diesen Facetten erleben wir eines nie: absolute Sicherheit.“ Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.
In der Liebe gibt es keine absolute Sicherheit
Aber dennoch haben Menschen die Möglichkeit, Strukturen zu schaffen, für Orientierung zu sorgen oder Richtungen vorzugeben. Ina Schmidt weiß: „Etwas oder jemanden mit Sicherheit lieben zu wollen, ist unmöglich. Aber wir können uns sehr wohl um einen liebevollen Blick bemühen, uns fragen, wie wir mit unserer Gefühlslage umgehen wollen, ob wir eine Beziehung hegen und pflegen oder verkümmern lassen.“ Also können sich Menschen sehr wohl dafür entscheiden, den Dingen oder anderen Menschen mit liebevollem Wohlwollen zu begegnen – oder auch nicht.
Diese Entscheidung gilt es zu treffen, um sich eben nicht nur verantwortlich zu fühlen, sondern darüber hinaus auch so zu handeln. Ina Schmidt stellt fest: „Um Verantwortung nicht nur zu tragen, sondern auch übernehmen zu können, brauchen wir also ein wohlwollende Nähe zum Gegenstand der Verantwortung. Ob diese Nähe räumlich, zeitlich, inhaltlich, geistig oder sozial zu erklären ist, ist nicht der zentrale Punkt, sondern dass es sie gibt beziehungsweise wir sie ermöglichen wollen und herstellen können.“
Sorge richten Menschen aktiv gegen die Resignation der Welt
Menschen können sich nicht zwingen oder gezwungen werden, sich von etwas berühren zu lassen, aber sie können selbstständig die Entscheidung treffen, sich etwas oder jemandem zuzuneigen, sodass Nähe entsteht. Ina Schmidt fügt hinzu: „Betroffenheit entsteht durchaus auch aus anderen emotionalen Befindlichkeiten, die nicht die Zuneigung zu etwas beschreiben, sondern mit Sorge die Abwesenheit von etwas feststellen.“ Dabei handelt es sich um eine Sorge, von der Menschen sich nicht nur passiv betreffen lassen.
Sondern diese Sorge richten Menschen aktiv gegen die Gleichgültigkeit und Resignation der Welt oder aus der heraus Menschen etwas möglich machen oder wieder herstellen wollen, was ihnen wichtig und wertvoll erscheint. Ina Schmidt ergänzt: „Der Philosoph Hans Jonas sieht in der emotionalen Haltung der Sorge eine grundsätzliche Form der „Totalverantwortung“ sichtbar werden.“ In diesem Sinne fordert er auch eine klare Definition der Verantwortung und versteht sie als „die als Pflicht anerkannte Sorge um ein anderes Sein“. Quelle: „Die Kraft der Verantwortung“ von Ina Schmidt
Von Hans Klumbies