Egoismus kann niemals das Gute sein

Moral und Ethik sind in antiken Beschreibungen keine Kategorien, die einem allein mit mahnendem Zeigefinger und moralinsaurer Besserwisserei begegnen. Sie weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass das allein auf das Eigene Bezogene niemals das Gute sein kann. Und darin liegt dann doch ein nachdenklicher Appell. Ina Schmidt betont: „In moralischen und ethischen Überlegungen geht es darum, herauszufinden, welche Bedingungen und welchen gemeinschaftlichen Rahmen man wählen kann und will, um das Gute im Sinne eines tragfähigen Gemeinwohls zum Ausdruck zu bringen.“ Was bedeutet es in diesem Zusammenhang, wenn im Namen der Verantwortung gegen ebendiese moralischen Prinzipien verstoßen wird? Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.

Moral bedeutet ursprünglich so viel wie Sitten

Dabei denkt Ina Schmidt an Fälle, in denen Unternehmenslenker Verantwortung ausschließlich für den größtmöglichen Profit übernehmen. Dabei aber moralisch eine Bankrotterklärung einreichen. Sei es mit krimineller Energie wie beim Zahlungsdienstleister „Wirecard“. Oder sei es mit profitgieriger Skrupellosigkeit wie bei manchen Automobilkonzernen, die Steuergelder zur eigenen Rettung beantragen, um gescheiterten Vorständen Boni auszuzahlen. In solchen Fällen lässt sich nicht mehr von Verantwortung sprechen.

Der ein oder andere Konzernchef ist hier sicher anderen Meinung und hält moralische Vorgaben für idealistischen Hokuspokus. Was ist also mit Moral gemeint, wenn man darüber so unterschiedlicher Meinung sein kann? Und doch gehen viele Menschen davon aus, dass sich ihr Handeln an dem ausrichten sollte, was gut und richtig ist. Der Begriff „Moral“ stammt ursprünglich vom lateinischen Wort „mores“ ab und bedeutet so viel wie Sitten. Ein Wort, das man heute eher selten und ungern nutzt.

Moralischen Geboten will man aus guten Gründen folgen

Ina Schmidt erklärt: „Das Phänomen des Sittlichen klingt nach verstaubten Konventionen, die wir eigentlich hinter uns lassen wollen.“ Es meint aber nichts anderes als den Versuch, den Umgang miteinander so zu regeln, dass das Zusammenleben möglichst reibungslos funktioniert. Denn es bezeichnet, was als üblich, angemessen und in einem weiteren Sinne als gut betrachtet wird. Bei moralischen Geboten geht es also um Regeln, denen man aus guten Gründen folgen will.

Auch hier kommt das Gute in einer bestimmten Beziehung zum Ausdruck. Es ist damit also nicht absolut zu bestimmen, sondern relational zu erfahren. Ina Schmidt formuliert dies mit anderen Worten: „Sittliche Verhältnisse sind nicht fest und eindeutig, sondern sie entstehen immer wieder neu.“ Und zwar, indem sich die Menschen in und zu der Welt verhalten und darin das Gute als Form von sinnvoller Übereinstimmung mit der Welt anstreben. Moralische Verantwortung ist dabei etwas anderes als die Erfüllung von Pflichten. Aber sie kann durchaus dazu führen, dass man bestimmte Pflichten als moralisch sinnvoll anerkennt. Quelle: „Die Kraft der Verantwortung“ von Ina Schmidt

Von Hans Klumbies