Die Philosophie dient der seelischen Gesundheit

Der französische Philosoph Michel Foucault hat sich in seinem Spätwerk ausführlich mit dem Begriff der Selbstsorge und der Frage beschäftigt, welche Bedeutung sie für das heutige moderne Leben haben kann. Seine erste Frage war, welche „Praktiken dazu taugen, „zwischen sich und sich selber ein gewisses Verhältnis“ herzuleiten. Anders gefragt: „Wie stellt man zu sich selbst eine adäquate und erschöpfende Beziehung her, indem man sich selbst zum Ziel macht. Ina Schmidt erläutert: „Sich zum Ziel machen, aber dieses Ziel nicht als letzte Antwort zu verstehen, darin liegt die große Aufgabe.“ Um diese Bewegung in Gang zu setzen beziehungsweise in Fluss zu halten, führt Michel Foucault verschiedene Praktiken und Prinzipien an, die er als zentral erachtet. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

Die Selbstschau lehrt den Umgang mit Wissen

Zunächst formuliert Michel Foucault die philosophische Reflexion, die sich auf das Selbst richtet, allerdings ohne es erkennen zu wollen. Im zweiten Schritt nennt er ein Bündel konkreter Übungen, die es in den Tagesablauf zu integrieren gilt: leichtes Körpertraining, Meditation, Lektüre und das Niederschreiben der Gedanken zu dieser Lektüre, kritische Reflexionen der eigenen Wahrheiten und das immer differenziertere Sprechen darüber. Das Aussprechen der eigenen reflexiven Gedanken sieht Michel Foucault als eine Form der Selbstzuwendung innerhalb der sozialen und kommunikativen Praxis an, die den meisten Menschen abhandengekommen ist.

Michel Foucault betont in diesem Zusammenhang sehr passend die Bedeutung der Philosophie für die seelische Gesundheit, gleich einer „Arztpraxis der Seele“, die allerdings ein anderes Verständnis von dem zugrunde legt, was gesund bedeutet. Jeder Mensch ist ganz im Sinne der antiken Idee der Philosophie als Heilerin „bedürftig“ und unvollkommen. Auch die Anwendung dieser Selbstpraktiken ändert daran nichts, aber sie lehrt den Menschen in der Selbstschau die Selbstüberprüfung und den Umgang mit Wissen und Nichtwissen.

Wertvorstellungen lassen sich in verantwortungsvolles Handeln übersetzen

Angelehnt an die stoische Philosophie ruft Michel Foucault dazu auf, die eigenen Vorstellungen ständig dahingehend zu prüfen, ob sie von einem selbst abhängen oder nicht. Hängen sich nicht von einem selbst ab, so sind sie durch „stetige Vergleichgültigkeit“ aus dem eigenen Blick zu vertreiben – sehr viel leichter gesagt als getan, aber ein interessantes Vorhaben. Zusammenfassend hat Michel Foucault diese Praktiken als „Sokratischen Imperativ“ beschrieben, der sehr schlicht dazu aufruft: „Beschäftige Dich mit dir selbst“, was heißt, „Begründe Deine Freiheit durch Selbstbemeisterung“.

In diesen Sätzen steckt ein hoher Anspruch daran, dass die Menschen das Geschenk der Freiheit erhalten haben und sie nur dann auch als ein solches erleben – und eben nicht als Last und Bürde – wenn sie sie mit einem moralischen Anspruch an das eigene Handeln verknüpfen. Wenn man die Freiheit nicht als die Möglichkeit missversteht, alles tun und lassen zu können, was man will, sondern als die Möglichkeit, die Bedingungen wählen zu können, damit dass, was man für gut und richtig hält, auch tatsächlich in die Welt kommt, dann hat dieser Gebrauch der persönlichen Freiheit viel damit zu tun, um die eigenen Wertvorstellungen zu wissen und sie in verantwortungsvolles Handeln zu übersetzen. Quelle: „Das Ziel ist im Weg“ von Ina Schmidt

Von Hans Klumbies