In Deutschland setzen sich zahlreiche Initiativen für die Demokratie ein

In Deutschland gibt es eine vielfältige Zivilgesellschaft und im Vergleich zu einigen Nachbarländern zahlreiche Initiativen, die sich für die Demokratie einsetzen, darunter auch viele migrantische Selbstorganisationen. Arne Semsrott kritisiert: „Sie werden bisher nur nicht ausreichend gefördert. Seit vielen Jahren vernachlässigt die Bundesregierung die demokratische Infrastruktur hierzulande.“ Wer in einer mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus tätig ist, in einer Opferberatungsstelle arbeitet oder sich für ein Frauenhaus engagiert, kennt es: Jedes Jahr Ende Dezember ist auf einmal kein Geld mehr da für die Demokratie. Manche Menschen nehmen die Respektlosigkeit der Bundesregierung für ihr Engagement einfach nur achselzuckend hin. Sie hatten über die Jahre gelernt, dass sie sich nicht auf den Staat verlassen können. Es ist manchmal eine absurde Situation: Da gibt es Menschen, die genau das umsetzen, was Politiker in ihren Sonntagsreden fordern. Arne Semsrott ist Politikwissenschaftler und Aktivist.

„Demokratie Leben“ erhält 200 Millionen Euro im Jahr

Diese Menschen halten zusammen, stehen für die Demokratie ein, engagieren sich, trotzen der Einschüchterung und den Drohungen. Arne Semsrott weiß: „Und erhalten doch kaum konkrete Unterstützung, keine Rückendeckung, um ihre Arbeit sicher weiterführen zu können.“ Das Problem der demokratischen zivilgesellschaftlichen Arbeit ist im Prinzip, dass die Engagierten sie aus Überzeugung machen – und die Arbeit für den Staat so wahnsinnig billig ist.

Für das größte Demokratie-Leuchtturmprojekt der Bundesregierung „Demokratie Leben“ stehen rund 200 Millionen Euro im Jahr zu Verfügung. Arne Semsrott vergleicht die Summe mit anderen Ausgaben: „So viel gibt die Bundesregierung 2024 für drei neue Luxus-Hubschrauber der Flugbereitschaft aus. Die gescheiterte Rettung von Galeria Kaufhof kostete 590 Millionen Euro, der Cum-Ex-Skandal 32 Milliarden.“ Etwa 200 Millionen Euro sind nicht genug. Es sollten 200 Milliarden Euro sein, welche die Bundesregierung für „Demokratie Leben“ ausgibt.

Die Infrastruktur der Demokratie sollte Milliarden Euro wert sein

Warum so viel? Arne Semsrott antwortet: „Wer vom Staat Millionen erhält, ist anerkannt. Wer Milliarden erhält, ist tatsächlich wichtig. Die Infrastruktur unserer Demokratie sollte es uns wert sein.“ Man braucht die Milliarden für zivilgesellschaftliche Projekte. Der Unterschied zwischen Millionen und Milliarden ist für die meisten Menschen einfach nicht vorstellbar. Ein Beispiel: Eine Million Sekunden entsprechen 11 Tagen. Eine Milliarde Sekunden entsprechen 31,7 Jahren.

Milliarden Euro für die Demokratie wären nicht nur ein klares Zeichen, sondern würden Demokratie-Initiativen auch endlich flächendeckend widerstandsfähiger machen. Ist das finanzierbar? Arne Semsrott sagt: „Klar. Die Schuldenbremse im Bundeshaushalt mag ein Hindernis darstellen. Aber mit einem „Sondervermögen Demokratie“ könnte der Staat Schulden aufnehmen.“ Was für die Bundeswehr möglich ist, sollte auch für die Demokratieförderung drin sein. Sondervermögen können nur in Krisenzeiten aufgenommen werden – und die Demokratie ist in einer Krise. Quelle: „Machtübernahme“ von Arne Semsrott

Von Hans Klumbies