Immer mehr Menschen lösen ihre Beziehungen auf

In ihrem neuen Buch „Warum Liebe endet“ zeigt Eva Illouz, warum mit Blick auf die sexuellen und romantischen Beziehungen vor allem eines selbstverständlich geworden ist: sich von ihnen zu verabschieden. Außerdem hat die Sozilogin anhand von zahlreichen Gesprächen und ausführlichem Quellenstudium herausgefunden, wie es um Beziehungen in Zeiten von Speed-Dating und Tinder, von Gelegenheitssex und Körperkult bestellt ist. Einer ihrer Befunde lautet: Insbesondere Frauen sind die Leidtragenden dieser gleichermaßen sexualisierten wie sexuell befreiten Kultur. Daneben beschreibt Eva Illouz, welche kulturellen und emotionalen Mechanismen Menschen dazu bringen, Beziehungen auf den Prüfstand zu stellen, aufzulösen, abzulehnen oder prinzipiell zu vermeiden. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem sowie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

Viele Menschen plagt eine tiefe Ungewissheit über ihr Gefühlsleben

Wenn Eva Illouz sich die Frage stellt „warum Liebe endet“, begibt sie sich auf ein Terrain, in dem sich besonders gut nachvollziehen lässt, wie die wechselseitige Durchdringung von Kapitalismus, Sexualität, Geschlechterverhältnissen und Technologie eine neue Form von Nicht-Sozialität hervorbringt. Ihrer Meinung nach wird deswegen so wenig über den Vorgang des sich „entliebens“ geschrieben, weil dieser Prozess nicht mit einer Eröffnung oder Offenbarung beginnt.

Eva Illouz erläutert: „Manche Beziehungen schlafen ein oder lösen sich auf, noch bevor oder bald nachdem sie richtig angefangen haben, während andere eine langsamen und rätselhaften Tod sterben.“ Trotz der allgegenwärtigen Beziehungsratgebern, Lebenshilfeforen und Workshops herrscht bei viele Menschen eine tiefe, bohrende Ungewissheit über ihr Gefühlsleben. Sie haben große Probleme damit, ihre eigenen und die Gefühle anderer zu verstehen, und nur mit Mühe, wenn überhaupt, können sie herausfinden, wann und wo man Kompromisse machen muss und was sie anderen beziehungsweise, was diese einem schuldig sind.

Die Freiheit der Menschen hat sich in den Tentakeln des Kapitalismus verfangen

Eva Illouz zeigt in ihrem Buch „Warum Liebe endet“, dass die emotionelle Ungewissheit im Bereich von Liebe, Romantik und Sexualität die direkte soziologische Folge der individuellen Wahl ist, die den Konsummarkt, die therapeutische Industrie und die Internettechnologie zu einem einzigen Komplex verschmolzen hat. Dass heute so viele Menschen unter derselben Ungewissheit leiden, ist ein Zeichen der Globalisierung der Lebensbedingungen. Eva Illouz vertritt deshalb die These, dass die Analyse der Desorganisation des Privat- und Intimlebens nicht allein der Psychologie überlassen werden darf.

Eva Illouz fordert dabei keine Rückkehr zu Familienwerten, zur Gemeinschaft oder zu einer Einschränkung der Freiheit. Allerdings nimmt sie die feministische und religiöse Kritik an der Freiheit ernst und macht geltend, dass die Freiheit das Feld allen menschlichen Handelns und Vorstellungskraft den Fangarmen der Macht des Kapitalismus überlassen hat. Dies geschah unter tätiger Mithilfe der Psychobranchen, welche die zahllosen emotionalen und seelischen Folgeschäden dieser Macht versorgen.

Warum Liebe endet
Eva Illouz
Verlag: Suhrkamp
Gebundene Ausgabe: 447 Seiten, Auflage: 2018
ISBN: 978-3-518-58723-2, 25,00 Euro

Von Hans Klumbies