Peter Vollbrecht schreibt in seinem neuen Buch „Magische Orte des Denkens“: „Philosophische Reisen machen mit entfernteren und näheren Epochen bekannt, sie schreiten weite denkerische Horizonte aus und führen idealerweise immer auch zurück zum persönlichen Gesichtskreis eines jeden Teilnehmers. Erst wenn die Abenteuer des Denkens in unserer inneren Welt eine resonante Schwingung erzeugen, gewinnen sie einen existenziellen Wert.“ Auf jeder philosophischen Reise muss das Thema ein Echo in der Seele finden. Es muss berühren können. Es darf, ja es sollte durchaus das Denken herausfordern. In der Ideallinie wäre eine philosophische Reise ein Gesamtkunstwerk. Gute Balancen entscheiden alles. Seminarzeiten, Kaffeepausen, Mittagspausen, Exkursionen, das kulturelle Abendprogramm, die Örtlichkeit und das Thema und nicht zuletzt: das Essen. Dr. Peter Vollbrecht studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte in Heidelberg, Bayreuth und New Delhi.
Sokrates setzte auf das Denken und den Diskurs
Eine philosophische Reise mag mehrere Sternstunden haben. Den „kairos“ nannten die Griechen den besonderen Moment, in dem sich Sinn- und Erlebnisfülle in ungeahnten Höhen befinden. Sternstunden haben deshalb immer auch eine existenzielle Tiefe. Peter Vollbrecht nennt ein Beispiel: „Zu philosophischen Reise-Sternstunden werden solche Begebenheiten, wenn sie sich mit einem Thema verfugen wie damals, als wir uns zu einer nächtlichen Nietzsche-Lesung am Strand des Sees von Silvaplana zusammenfanden. Es war ein früher Septembertag und plötzlich fuhr keine dreißig Meter vom Ufer entfernt ein übergreller goldfarbener Blitz in den See.“
Das zweite Kapitel beschreibt Athen un die griechische Aufklärung: von Sokrates bis Aristoteles. Sokrates setzte auf das Denken, auf den Diskurs, er prozessierte gegen alle Arten falscher Autorität. Das Denken ist den Mächtigen jedoch ein Ärgernis, denn es lässt keine andere Ordnung zu als die der Vernunft. Die Herrschenden kontern – damals wie heute – mit Anklagen wegen staatsfeindlicher Umtriebe oder sie bezichtigen ihre Gegner gar der Unterstützung terroristischer Vereinigungen.
Philosophische Ideen verleihen den magischen Orten eine geistige Aura
Kapitel zwölf handelt von Sils Maria sowie Friedrich Nietzsches Wahrheiten und Irrtümern. Stilistisch reicht Friedrich Nietzsche kein anderer Philosoph das Wasser. Er schreibt mit unübertroffenen musikalischem Sprachgefühl für Bilder und Rhythmen. Peter Vollbrecht fügt hinzu: „Er findet Metaphern und Analogien, die unter die Haut gehen. Mit betörender Eleganz wechselt er die Tonlagen, aus Gewaltigem lockt er den Leser hinüber ins Sinnliche.“ Friedrich Nietzsche ist zudem ein Meister der inszenierten Zweideutigkeit.
Ein magischer Ort kann einem Wort eine ungeahnte Ausdruckskraft verleihen. Die zur Erzählung verflüssigten Gedanken finden da draußen eine neue Ereignisbühne. Da gelangen die großen Denker zurück zu ihren Wirkschauplätzen: Friedrich Nietzsche im Engadin, Martin Heidegger in Todtnauberg, Jean-Paul Sartre im Pariser Café Deux Magots. Wie auch umgekehrt ihre philosophischen Ideen den magischen Orten eine geistig Aura verleihen. Dabei entstehen philosophische Geschichten mit je eigener ganz besonderen Atmosphäre.
Magische Orte des Denkens
Ein Reiseführer durch philosophische Welten
Peter Vollbrecht
Verlag: Karl Alber
Gebundene Ausgabe: 438 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-495-99225-8, 39,00 Euro
Von Hans Klumbies