Die vergangenen Jahrzehnte sind laut Horst Opaschowski wesentlich eine Phase der Geldkultur gewesen. Diese Epoche war vom Geldverdienen und Geldausgeben bestimmt. Diese Ära der bezahlten Arbeit und Geldentlohnung wird seiner Meinung nach in der Zukunft durch eine Phase der „Zeitkultur“ ergänzt. In dieser wollen die Menschen nicht mehr nur wissen, wovon sie leben, sondern sie wollen auch Antworten darauf haben wofür sie leben. Gerade für Führungskräfte gilt: Mehr Geld erscheint wertlos, wenn nicht gleichzeitig auch mehr „Zeit ausgezahlt“ wird. Mitarbeiter von morgen wollen mit Zeitoptionen leben. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.
Zeitverkaufen wird ein neuer Dienstleistungsmarkt
Horst Opaschowski stellt fest: „In der Zukunftsgesellschaft eines langen Lebens wird Lebensqualität als Lebenszeitqualität neu definiert.“ Die Schnelligkeit, die Geschwindigkeit und das Lebenstempo durchdringen vor allem das städtische Leben bis ins Mark. Hier leben deutlich mehr Menschen nach der Uhr und tragen auch eine Uhr. Das Tempo wird sich in Zukunft zum auffälligsten Merkmal urbanen Lebens entwickeln. Und „Zeitverkaufen wird ein neuer Dienstleistungsmarkt.“
Das rasche Lebenstempo in den Städten führt beispielsweise dazu, dass die Menschen mit mehr Sinneseindrücken überhäuft werden. Diese können sie persönlich kaum mehr verarbeiten. Die Folge ist eine Art psychischer Überlastung. Deshalb neigen die Überforderten dazu, alles auszublenden, was für ihre persönlichen Ziele nicht von Bedeutung ist. Konkret: Sie nehmen sich weniger Zeit. Und sie haben auch nicht die Geduld dazu, sich um Menschen zu kümmern, die in ihrem Leben nur eine marginale Rolle spielen.
Zeitdruck schmälert der Wohlbefinden der Menschen
Für die Zukunft sieht Horst Opaschowski folgende Szenarien voraus: Je urbaner ein Lebensumfeld ist, desto schneller bewegen sich die Menschen vor Ort. Je produktiver die Wirtschaft ist, desto höher ist das Lebenstempo. Mehr zeitsparende Maschinen und Technologien setzen die Menschen zunehmend immer mehr unter Zeitdruck. In Gesellschaften mit stark ausgeprägten Individualismus dominieren Einstellungen wie „Zeit ist Geld“. Hier ist der Zwang überdurchschnittlich groß, jeden Augenblick irgendwie zu nutzen.
Individualisierte Kulturen legen zudem mehr Wert auf Leistung als auf Zusammengehörigkeit. Das Phänomen des Zeitnotstands breitet sich laut Horst Opaschowski weltweit weiter aus. Wenn dies so bleibt, dann wird die Zeit in Zukunft das werden, was das Geld im 20. Jahrhundert gewesen ist. Der von Zeitdruck und Eile geprägte Lebensrhythmus wirkt sich insbesondere auf das soziale Wohlbefinden der Menschen aus. Nachweislich gibt es einen Zusammenhang zwischen Zeit und Sozialverhalten. Quelle: „Wissen, was wird“ von Horst Opaschowski
Von Hans Klumbies