Eine Ära der Unsicherheit hat weltweit begonnen. Die Menschen müssen umdenken und lernen, in und mit dauerhaft unsicheren Zeiten zu leben. Horst Opaschowski nennt ein Beispiel: „Die Finanzmärkte kennen diese Volatilität schon lange: Kein Vermögenswert ist mehr wirklich sicher.“ Nach dem amerikanischen Risikoforscher Nicholas Taleb brauchen die Menschen ein neues Denken für eine Welt, die bei allem Fortschritt immer unberechenbarer wird. Seine Antwort und Empfehlung für die Herausforderungen in unsicheren Zeiten lautet: „Antifragilität“. Damit ist eine Lebenshaltung gemeint, die mehr als stark, solide, robust und unzerbrechlich ist. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.
Die Deutschen wollen keine finanziellen Sorgen haben
Wer sich antifragil verhält, steht Unsicherheiten und Ungewissheiten geradezu positiv und offensiv gegenüber – und rechnet mit Unberechenbarem. Das können auch unwahrscheinliche Ereignisse mit massiven Folgen sein. Die Gesellschaft und die Politik können vielen Bürgern keinen schützenden Sicherheitsrahmen mehr verbürgen. Deshalb wird der Hunger nach Sicherheit größer als der Durst nach Freiheit. Dabei geht es nicht um maßlose Sicherheitsansprüche der Bürger, sondern um existenzielle Sicherheiten wie Arbeitsplatzsicherheit, Geldwertsicherheit und Zukunftssicherheit.
Das Versprechen des Wohlstands für alle droht zur Enttäuschung für große Teile der Bevölkerung zu werden. Drei Viertel der Deutschen antworten auf die Frage, was sie unter Wohlstand verstehen: „Keine finanziellen Sorgen haben“. Horst Opaschowski ergänzt: „Es dominiert der Wunsch nach einem sicheren Einkommen und einem sicheren Arbeitsplatz.“ Es ist seiner Meinung nach schon bemerkenswert, dass das Wohlergehen der Deutschen hauptsächlich negativ definiert wird. Die Bundesbürger wollen „keine“ finanziellen Sorgen und „keine“ Angst vor der Zukunft haben.
Die persönliche Zukunftsvorsorge wird immer fragwürdiger
Von satten Wohlstandsbürgern kann daher keine Rede sein. Es geht um Leib und Leben und nicht um Glücksgefühle. Die Deutschen haben ganz andere Sorgen. Da mag es der Wirtschaft noch so gut gehen. Vor dem Hintergrund stetig steigender Lebenserwartung in unsicheren Zeiten wird die persönliche Zukunftsvorsorge immer fragwürdiger. Im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung ist alles in Bewegung. Das Geld, die Güter, die Märkte un die Menschen auch.
Zudem erschüttern Krisen, Kriege und Katastrophen die Welt. Es gibt keine Insel der Seligen und keine dauerhaften Stabilitätsoasen mehr. Und auch Europa muss zur Kenntnis nehmen, dass die Null-Zins-Politik ökonomische und soziale Folgen haben wird. Die Einkommen wachsen kaum noch. Und die Verbraucher stellen sich auf Nullrenditen oder gar Wohlstandsverluste in naher Zukunft ein. In dieser bewegten Zeit setzen die Deutschen mehr auf Sicherheit als auf Rendite. Sie denken neu über den Erhalt ihres Lebensstandards und ihrer Lebensqualität nach. Quelle: „Wissen, was wird“ von Horst Opaschowski
Von Hans Klumbies