Heutzutage lohnt sich das Unternehmertum manchmal nicht mehr

Reinhard K. Sprenger fordert: „Nehmt den Menschen, wie er ist: wir haben keinen universalethischen Therapievertrag.“ An der Freiheit des anderen kommt ohnehin niemand vorbei. Die Sollbruchstelle des gegenwärtigen Kapitalismus besteht für Reinhard K. Sprenger darin, dass es keine Antwort auf die Frage gibt, wie der Übergang von einem Managerkapitalismus zu einem neuen Eigentümerkapitalismus zu bewerkstelligen ist. Fest steht: In den letzten Jahrzehnten war es möglich, ohne Einsatz von eigenem Geld, also ohne eigenes Risiko, so wohlhabend zu werden, wie es früher nur Unternehmer wurden. Das ist ein extrem attraktives Lebensmodell, das viele zu verwirklichen trachteten – unter dem wohlgefälligen Nicken staatlicher Aufsichtsbehörden. Unter solchen Bedingungen lohnt sich das Unternehmertum nicht mehr. Reinhard K. Sprenger, promovierter Philosoph, ist einer der profiliertesten Führungsexperten Deutschlands.

Die Stimme der Freiheit lässt sich längerfristig nicht unterkriegen

Wer an einer Unternehmergesellschaft interessiert ist, muss die wertsetzenden Regularien innerhalb der Gesellschaft so bauen, dass sich Risikobereitschaft und Verantwortung wieder lohnen. Zurzeit gibt es eine unheilige Allianz von Big Business und Big Government. Dabei darf man aber laut Reinhard K. Sprenger folgendes nicht vergessen: „Die Mehrheit des Bruttosozialprodukts wird sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz nach wie vor von Klein- und Mittelunternehmen erwirtschaftet. Das Problem ist nur, dass ihre Stimme kaum gehört wird.“

Dennoch glaubt Reinhard K. Sprenger nach wie vor, dass sich die Stimme der Freiheit längerfristig nicht unterkriegen lässt. Er vertraut auf die Stimme der Vernunft, und das ist letztlich immer eine freiheitliche. Weil der Mensch nun einmal staatskulturellen Deformationen eine Freiheitswesen ist und immer bleiben wird. Reinhard K. Sprenger gefällt eine Mischung aus Solidarität und Diskretion. Und die lebt nur in relativ autonomen, kleinen Einheiten. Die Schweiz sollte sich diese Kraftquelle bewahren.

Die meisten Erwachsenen gehen zur natürlichen Welt auf Distanz

Wenn ein Kind durch den Wald geht, fühlt es sich einem großen Organismus zugehörig. Es spaltet die Welt nicht auf in Subjekt und Objekt, es ist eins mit ihr. Reinhard K. Sprenger fügt hinzu: „Es ist ähnlich verschmolzen wie ehedem mit der Mutter. Wenn es dann erwachsen wird, geht es zur Welt auf Distanz. Im Rückblick erinnern wir wehmütig die verlorene Nähe zu den Dingen.“ Aber wem es gelingen würde, Kind zu bleiben, der bliebe „kindisch“. Er bliebe auch überzeugt, dass die Erde eine Scheibe sei – weil er sie nie „von Weitem“ sah.

Der Begriff der Distanz beschreibt also den Unterschied zwischen einer kindlichen und einer erwachsenen Lebenswelt. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Das gilt sogar für den geliebten Menschen: Ohne den nötigen Abstand können die kleinsten körperlichen Äußerungen des anderen in der Vergrößerung befremdlich werden. Aus der Ferne sehen wir Anmut, aus der Nähe Poren.“ Der US-amerikanische Philosoph John Rawls bedient sich in „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ der Distanz in Form eines Schleiers. Quelle: „Gehirnwäsche trage ich nicht“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies