Deutschland verwandelte sich in eine Trümmerlandschaft

Zwischen 1570 und 1648 verwandelten sich die deutschen Lande von einem Ort blühender Gelehrsamkeit in eine trostlose Trümmerlandschaft. Helmut Walser Smith erläutert: „In den Annalen der Geschichte gibt es kaum einen solchen Niedergang. Vergleichbar höchstens mit der Pest des 14. Jahrhunderts, als Mitteleuropa mehr als ein Jahrhundert brauchte, um sich von dieser Katastrophe zu erholen.“ Denkbar ist auch ein Vergleich mit den Staaten Mittel- und Osteuropas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das damals nach Ansicht vieler Historiker von einem zweiten Dreißigjährigen Krieg heimgesucht wurde. Tatsächlich sind Vergleiche zwischen dem ersten und dem sogenannten zweiten Dreißigjährigen Krieg aufschlussreich. Zwar unterscheiden sich die Bevölkerungsschätzungen für das 17. Jahrhundert. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

Im Zweiten Weltkrieg starben 10 Prozent der Deutschen

Doch ein Näherungswert geht davon aus, dass in den deutschen Teilen des Heiligen Römischen Reiches vor dem Krieg etwa 16 Millionen und am Ende des verheerenden Dreißigjährigen Krieges nur noch elf Millionen Menschen lebten. Während des Dreißigjährigen Krieges fanden zwischen 15 und 40 Prozent der Bevölkerung einen frühen Tod, einige durch Belagerung und Schlachten, die meisten jedoch durch eine ruinöse Mischung aus Hunger, Entbehrung und Krankheit. Insbesondere in Gestalt von Pest und Hungersnot haben die Auswirkungen des Krieges die Bevölkerung schwer getroffen.

Helmut Walser Smith weiß: „Im Vergleich dazu endete der Erste Weltkrieg in Deutschland mit dem Verlust von 2,5 Millionen Menschenleben sowie mit einem weiteren Verlust von schätzungsweise 4,5 Millionen durch den Geburtenrückgang bei gleichzeitig hoher Sterblichkeitsrate.“ Noch katastrophaler war der Zweite Weltkrieg. Er kostete sieben Millionen Deutsche das Leben, das waren 10 Prozent der deutschen Bevölkerung. Von den Toten waren 3,7 Millionen Soldaten, 2 Millionen Zivilisten und 1 Million sogenannter Heimatvertriebene aus den Ostgebieten.

Die meisten Todesopfer im Zweiten Weltkrieg gab es in Osteuropa

Demographen schätzen, dass das zusätzliche Bevölkerungsdefizit infolge des Geburtenrückgangs und eines allgemeinen Anstiegs der Sterblichkeit weitere sieben Millionen ausmacht. Nimmt man beide Kriege zusammen, so sind das ungeheuerliche Zahlen, die in jeder Hinsicht eine historische Katastrophe darstellen. Doch die meisten Todesopfer im Zweiten Weltkrieg waren in Osteuropa zu verzeichnen. Dieses Gebiet entwickelte sich durch den Einmarsch deutscher Truppen und Mordkommandos zu einem Schauplatz des Schreckens.

In Osteuropa waren am Ende weit über 50 Millionen Tote zu beklagen. Helmut Walser Smith stellt fest: „Hier schien das apokalyptische Ende tatsächlich nahe, wie es auch in Teilen Deutschlands im 17. Jahrhundert der Fall gewesen war. Dennoch wütete der Dreißigjährige Krieg prozentual gesehen stärker unter der deutschen Bevölkerung als der Erste und Zweite Weltkrieg zusammen.“ Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges waren zudem noch viel länger zu spüren. Quelle: „Deutschland“ von Helmut Walser Smith

Von Hans Klumbies

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