Die Anzahl der absolut Armen ist gesunken

Es wird alles besser und schlechter zugleich. So fasst Heinz Bude die Entwicklung der globalen Ungleichheit in den letzten dreißig Jahren zusammen. Zuerst das Positive: Die Anzahl der absolut Armen ist seit 1993 von zwei Milliarden auf eine Milliarde Menschen im Jahr 2012 gesunken. Das sind Menschen, die weniger als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Ähnliches kann man für die Entwicklung der Kindersterblichkeit, der Lebenserwartung oder der Bildungsbeteiligung von Mädchen in bisher als unterentwickelt angesehenen Gesellschaften feststellen. Heinz Bude fügt hinzu: „Die sofortigen Einwände im Blick auf Zentralafrika und Südasien liegen auf der Hand. Man darf in der Tat große regionale Unterschiede im globalen Trend nicht unterschlagen.“ Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Bude Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

Die wichtigsten Aufsteiger sind Indien und China

Denn es gibt Schwellenländer, die große Schritte nach vorn tun, und Entwicklungsländer, die noch weiter zurückfallen. Außerdem gibt es Staaten, die infolge der Implosion des Ostblocks wirtschaftlich herausgefallen und gesellschaftlich zerbrochen sind. Zu den von der Weltwirtschaft entkoppelten Ländern zählt Heinz Bude die Zentralafrikanische Republik, Liberia, Burundi, Mosambik oder die Demokratische Republik Kongo. Die wichtigsten Aufsteiger in der Weltwirtschaft sind zweifellos China und Indien.

Zu den prosperierenden Ländern zählen ebenso die Tigerstaaten Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong, die Pantherstaaten Indonesien, Malaysia und die Philippinen. Dazu kommen Nachrücker wie Vietnam, Südafrika, Bangladesch oder Nigeria. In allen diesen Ländern entsteht eine dynamische Mittelklasse, die ihre Kinder auf ausbildungsstarke und forschungsintensive Universitäten schickt. Diese Menschen gönnen sich beim Einkaufsbummel in der Mall einen Cappuccino und sparen auf einen BMW. Sie entwickeln sich zu Treibern der Weltwirtschaft und setzen die G7-Staaten unter Druck.

In den USA hat die Ungleichheit enorm zugenommen

Das weltwirtschaftliche Geschehen ist seit Beginn dieses Jahrhunderts von einer Umkehrung der Wachstumsgeschwindigkeiten gekennzeichnet. Der globale Norden stagniert, und der globale Süden avanciert. Vor zwanzig Jahren lebte man im Deutschland oder Frankreich zwanzigmal besser als in China oder Indien. Der heutige Lebensstandard ist hier nur mehr zehnmal so hoch wie dort. Die andere Seite dieser Verringerung der Ungleichheit zwischen den Gesellschaften ist allerdings die Zuspitzung der Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften.

Es gibt jetzt reiche Chinesen und Inder, die sehr viel reicher als die reichsten Deutschen oder Franzosen sind. Aber die Mehrheit der Menschen auf dem Lande in China und Indien ist sehr viel ärmer als die 10 Prozent der ärmsten Deutschen und Franzosen. Daher sind die Gesellschaften Chinas und Indiens im Moment einer enormen sozialstrukturellen Belastungsprobe ausgesetzt. Aber auch in den USA, die nach wie vor als das reichste Land der Welt gelten, hat die gesellschaftliche Ungleichheit heute wieder den Stand wie zuletzt vor hundert Jahren erreicht. Quelle: „Solidarität“ von Heinz Bude

Von Hans Klumbies