Die Euroländer bezahlen ihre Schulden mit der Notenpresse

Hans-Werner Sinn stellt sich die Frage, was es für Deutschland bedeutet, wenn die Handelspartner im Euroraum sich in riesigem Umfang der Notenpresse bedient haben, um ihre Rechnungen im Ausland zu bezahlen. Seine Antwort lautet: „Wenn also die Ausländer die deutschen Exportüberschüsse mit der Notenpresse bezahlen, dann hängt der Teil der deutschen Ersparnisse, der sich in den Leistungsbilanzüberschüssen niederschlug, in der Luft.“ Die zweite spannende Frage ist für Hans-Werner Sinn, welcher Teil der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse mit der Notenpresse, also Target-Krediten, bezahlt wurden. Hans-Werner Sinn ist seit 1984 Ordinarius in der volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1999 wurde er Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München und Leiter des CESifo-Forscher-Netzwerks, weltweit eines der größten seiner Art.

Deutschlands Target-Forderungen liegen bei 727 Milliarden Euro

Schon im Juni 2012 hatte die Bundesbank laut Hans-Werner Sinn Target-Forderungen gegenüber dem Europäischen Zentralbank-System im Wert von 727 Milliarden Euro. Bis zum ersten Quartal 2012 betrug der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands gegenüber dem Rest der Eurozone eine Summe von 331 Milliarden Euro. Hans-Werner Sinn redet Klartext: „Man hat die deutschen Autos abgeholt und sich alte Schuldscheine zurückgeben lassen, und zum Ausgleich hat man dann alles auf dem Bierdeckel der Europäischen Zentralbank (EZB) beziehungsweise der Bundesbank anschreiben lassen.“

Normalerweise kann ein Land mit Überschüssen im Export dafür im Ausland Vermögensobjekte erwerben. Seine Unternehmen kaufen beispielsweise andere Firmen im Ausland oder Bauland, um darauf neue Unternehmen zu gründen. Seine Banken kaufen ein diversifiziertes Vermögensportfolio, das zur Streuung des Risikos aus unterschiedlichen marktfähigen Papieren besteht. Die Bürger legen sich dann vielleicht eine Ferienwohnung im Ausland zu oder ein Stück Land zur Anlage ihres Vermögens.

Die Exportüberschüsse der Deutschen haben sich in reine Verrechnungsposten verwandelt

Diese Vorstellung hält Hans-Werner Sinn, auf Deutschland bezogen, für naiv. Seiner Meinung nach ist es unwahrscheinlich, dass sich die Exportüberschüsse und die Ersparnisse der Deutschen von bloßen Verrechnungsposten irgendwann einmal wieder in reale Dinge zurückverwandeln werden. Denn in den letzten viereinviertel Jahren sind laut Hans-Werner Sinn nicht weniger als 86 Prozent des Leistungsbilanzüberschusses gegenüber der Welt mit frisch gedruckten Euros und Target-Forderungen der Bundesbank bezahlt worden.

Hans-Werner Sinn schreibt: „Die deutschen Target-Forderungen machten am Ende des Jahres 2012 übrigens 50 Prozent des Nettoauslandsvermögens der Deutschen aus, und wenn man den Trend des Nettoauslandsvermögens während der Krisenjahre linear fortschreibt, lagen sie im Juli 2012 schon bei etwa zwei Dritteln.“ Hans-Werner Sinn kommt zu der erschreckenden Feststellung, dass Deutschland für seine Exportüberschüsse nicht anderes als Target-Forderungen, zwangsweise erworbene Staatspapiere anderer Länder und Forderungen aus Hilfskrediten, erhalten hat.

Von Hans Klumbies