Psychopathen sind maßlos von sich eingenommen und neigen zu selbstherrlichem Verhalten. Zugleich mangelt es ihnen besonders an Angst und Schuldgefühlen. Daraus resultieren Respektlosigkeit gegenüber Mitmenschen und Furchtlosigkeit bezüglich negativen Folgen ihres Tuns; Hemmungen sind ihnen fremd. Hans-Peter Nolting spricht hier auch von einem impulsiv-aggressiven Lebensstil: „Ein zentrales Bestreben des Psychopathen ist es, ihre Mitmenschen für eigene Zwecke zu manipulieren. Insofern hat ihre Aggressivität deutlich instrumentellen Charakter; sie ist darauf gerichtet, sich andere Menschen gefügig zu machen und auszubeuten.“ Dafür setzen Psychopathen aber auch ganz unaggressive Mittel ein. So schaffen sie es häufig mit Charme und Überredungskünsten, Menschen um den Finger zu wickeln. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.
Psychopathen fehlt es an Empathie im engeren Sinne
Es zeigt sich, dass sie sich durchaus in andere hineinversetzen können, um zum Beispiel deren Schwachstellen zu erkennen. Es fehlt ihnen jedoch an Empathie im engeren Sinne, das heißt, sie können die Gefühle ihrer Mitmenschen nicht nachempfinden und werden davon nicht berührt. Hans-Peter Nolting erklärt: „Deren Schmerz, deren Ängste und Enttäuschungen haben für ihr Handeln keine Bedeutung.“ Psychopathie gibt es in graduellen Abstufungen und nicht nur als psychische Störung.
Manche Menschen besitzen psychopatische Züge in moderater Ausprägung, und wenn sie zugleich hinreichend Selbstdisziplin mitbringen, können sie, so Psychopathieforscher Kevin Dutton, sehr erfolgreich in legalen Positionen tätig sein, zum Beispiel als Politiker, als Bankmanager, als Spion oder in anderen Berufen, in denen man Macht über andere Menschen hat oder in denen Draufgängertum und das Missachten von Regeln durchaus vorteilhaft sein können. Zudem gibt es Menschen, die sich lediglich durch einzelne Komponenten der Psychopathie auszeichnen, wie etwa Angstlosigkeit, ohne deshalb als Psychopath zu gelten.
Bei vielen unemotionalen Kindern zeigen Therapien gewisse Erfolge
Psychopathie ist war eine Diagnose im Erwachsenenalter, doch natürlich stellt sich die Frage nach der Vorgeschichte, und die beginnt typischerweise schon in der Kindheit. Die Klinischen Psychologen Franz Petermann und Ute Koglin verweisen auf Vorläufersymptome, die sie als callous-unemotional – harthäutig-unemotional – bezeichnet werden, weil solch ein Kind seltsam kühl wirkt. Das kann sich gegenüber Mitschülern beispielsweise so äußern, dass es schlägt, lügt und Sachen wegnimmt, aber nie Reue und Schuldgefühle zeigt.
Ein solches Kind hat kein Gespür dafür, was es anrichtet, und sieht die Schuld ohnehin immer bei anderen. Zudem macht es sich über empörte Reaktionen ebenso wenig Sorgen wie über schlechte Schulleistungen. Während erwachsene Psychopathen als wirklich schwere Fälle für die Psychotherapie gelten, scheinen die Aussichten bei Kindern mit den Vorläufersymptomen nicht so düster. Therapien, wie sie bei aggressiven Kindern üblich sind, nämlich eine Behandlung des Kindes plus Elterntraining, zeigen auch bei vielen unemotionalen Kindern gewisse Erfolge. Quelle: „Psychologie der Aggression“ von Hans-Peter Nolting
Von Hans Klumbies