Aggression ist nicht die häufigste Art des Konfliktverhaltens

Der Ausdruck „Konflikt“ erzeugt bei vielen Menschen die Vorstellung, dass „die Fetzen fliegen“. Aber Konflikte sind nicht notwendig mit aggressivem Verhalten verbunden. Hans-Peter Nolting nennt ein Beispiel: „Wenn unvereinbare Wünsche und Absichten aufeinandertreffen, wenn beispielsweise Ehepartner das begrenzte Geld für unterschiedliche Dinge ausgeben möchten, liegt ein Konflikt vor.“ Konflikte in diesem Sinne sind unvermeidlich, denn es ist nicht möglich, dass zwei Menschen immer dasselbe wollen und das auch noch im selben Augenblick. Ein ganz anderer Sachverhalt ist indes der Umgang mit dem Konflikt, das Konfliktverhalten. Hier unterscheidet Hans-Peter Nolting drei Grundtypen: „Aggressiv, meidend und konstruktiv.“ Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

Sehr verbreitet bei einem Konflikt ist meidendes Verhalten

Aggressives Verhalten bei Konflikten kann unterschiedlich motiviert sein: Man möchte etwas durchsetzen oder abwehren oder vergelten. Die dabei eingesetzten Verhaltensformen sind vielfältig: sie können von körperlichen Angriffen bis zu versteckten Verleumdungen reichen. Hans-Peter Nolting erklärt: „In engen persönlichen Beziehungen überwiegen gewöhnlich verbale Angriffe wie Vorwürfe, Herabsetzungen und Drohungen. Nicht selten äußert sich die aggressive Stimmung schon im lauten Ton; zuweilen sind es auch kleine Reizwörter, die das Gesprächsklima vergiften.

Vermutlich ist aggressives Verhalten deshalb so eng mit dem Begriff „Konflikt“ verbunden, weil es sehr auffällig ist und die Betroffenen aufwühlt. Aber aufs Ganze gesehen, wenn auch unterschiedlich nach Person und Zusammenhang, ist es sicher nicht die häufigste Art des Konfliktverhaltens. Meidendes Verhalten ist sehr verbreitet, und zwar in unterschiedlichen Formen. Man vermeidet es, konfliktbelastende Themen anzusprechen, man entfernt sich aus einer kritischen Situation, man meidet sogar die Begegnung mit dem Kontrahenten.

Konstruktives Konfliktverhalten zeichnet sich durch Fairness aus

Besonders typisch ist Meidungsverhalten, wenn der Konflikt noch nicht offensichtlich geworden ist, wenn man ihn bislang nur selbst empfindet, die andere Person hingegen nicht. Zum Meiden neigen vor allem Menschen, die sich in einer unterlegenen Position fühlen. Meidungsverhalten ist sicher in vielen Situationen eine pragmatischen Lösung, doch wenn dadurch ein schwelender Konflikt ungelöst bleibt, kann es eine Beziehung möglicherweise noch schwerer beschädigen als aggressives Verhalten. Glücklicherweise gibt es noch jenen Typ des Konfliktverhaltens, den man konstruktiv nennt.

Hans-Peter Nolting erklärt: „Konstruktiv heißt, dass man sich gleichermaßen um eine Lösung in der Sache und um eine Schonung der Beziehung bemüht.“ Eine faire Lösung und ein fairer Umgang haben somit Vorrang vor einem „Sieg“. Oftmals reicht schon ein kurzer Austausch, um eine Verständigung herbeizuführen. In anderen Fällen hingegen braucht man gründliche Gespräche zu einem guten Zeitpunkt – nicht zwischen Tür und Angel und nicht im Zustand akuten Ärgers. Das gilt vor allem für Konflikte in der Partnerschaft und anderen engen Beziehungen. Quelle: „Psychologie der Aggression“ von Hans-Peter Nolte

Von Hans Klumbies