Im Zentrum des deutschen Grundgesetzes stehen die Grundrechte jedes einzelnen Menschen. Darin unterscheidet es sich etwa von der ersten demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung Deutschlands, der sogenannten Weimarer Reichsverfassung. Hans-Jürgen Papier erläutert: „Die Freiheit ist somit Ausgangspunkt und Zweck unseres freiheitlichen Verfassungsstaats. Dieser gewährt und garantiert die Grundrechte. Und er erlaubt es jedem Einzelnen, seine Freiheitsrechte gegen den Staat geltend zu machen und notfalls einzuklagen.“ Freiheit ist von jeher ein schillernder Begriff. Er beinhaltet die Vorstellung von einer Welt ohne Missstände und Not. In einem utopischen Reich der Freiheit könnten die Menschen als autonome Subjekte zwischen verschiedenen Möglichkeiten die jeweils beste auswählen. Damit wäre es ihnen möglich, ihre wahre Bestimmung zu finden, sich zu dem zu entwickeln, was sie sein könnten. Prof. em. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier war von 2002 bis 2014 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Die USA gelten als „Land of the Free“
Und das alles ohne Zwang, frei von Beschränkungen. Sie wären einerseits – das ist die geläufige negative Definition des Freiheitsbegriffs – frei von Unterdrückung, Armut und Gewalt. Andererseits – so die positive Bestimmung – wären sie frei, sich aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft, in der sie leben, zu beteiligen. Politische und wirtschaftliche Selbstverwirklichung, wie der Liberalismus sie vertritt, beruhen auf diesem positiven Aspekt des Freiheitsbegriffs.
Seit ihrer Gründung gelten die Vereinigten Staaten von Amerika als „Land of the Free“, und das nicht nur laut ihrer Nationalhymne. Hans-Jürgen Papier fügt hinzu: „Das Selbstverständnis als Hort und Garant der Freiheit prägt die USA bis heute. Und es strahl weit über ihre Grenzen hinaus. Auch wenn es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einiges an Glanz verloren hat.“ Drei Dokumente veränderten die Geschichte der USA. Erstens die Grundrechteerklärung von Virginia von 1776, zweitens die amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus dem selben Jahr und drittens die 1787 verabschiedete Verfassung.
Alle Menschen sind von Natur aus frei und gleich
Letztere enthält mit den Bill of Rights, die ihr 1789 in Form von Zusatzartikeln zugefügt wurde, einen einklagbaren Grundrechtekatalog. Dieser ist noch heute in Kraft. Die Verfasser um Politiker wie Thomas Jefferson übersetzten damals neue Ideen aus der Sphäre der Theorie in die Politik und das Recht. Zum einen den Gedanken, dass alle Menschen von Natur aus frei und gleich und ihr Leben sowie ihr Eigentum unverletzlich sind. Zum anderen das für alle Menschen geltende unveräußerliche Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.
Hans-Jürgen Papier weiß: „Natürlich konnte die neue Verfassung bestehende Ungerechtigkeiten nicht aus der Welt schaffen. Freiheit galt in der Praxis der amerikanischen Gesellschaft bei Weitem nicht für alle Menschen gleichermaßen. Die Bürgerrechte erstreckten sich weder auf Sklaven noch auf Frauen.“ Ähnlich wie in der Demokratie der griechischen Polis mehr als 2000 Jahre zuvor blieben politische Selbst- und Mitbestimmung – vorerst – Privilegien von männlichen Bürgern mit Grundbesitz. Quelle: „Freiheit in Gefahr“ von Hans-Jürgen Papier
Von Hans Klumbies