Freiheitsrechte sind keine Selbstverständlichkeit mehr

In seinem neuen Buch „Freiheit in Gefahr“ untersucht Hans-Jürgen Papier die verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Facetten der Freiheit. Dabei bezieht er sich stets auf die Verfassung Deutschlands, deren oberster Zweck die Freiheit ist. Mit Sorge beobachtet der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts die fortschreitenden Erosionserscheinung in Deutschland. Denn die einst hart erkämpften Freiheitsrechte sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Sie sind zunehmend in Gefahr, nicht zuletzt seit der Coronapandemie. Der Autor beobachtet besorgniserregende Verschiebungen auf das, was viele Deutsche politisch als verhältnismäßig empfinden. Hans-Jürgen Papier deckt auf, was die Grundrechte bedroht, und macht deutlich, warum es jetzt gelingen muss, die bürgerlichen Freiheiten zu sichern und zu wahren. Prof. em. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier war von 2002 bis 2014 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Die Freiheitsrechte begründen das Rechtssystem Deutschlands

Hans-Jürgen Papier hat das Thema Freiheit sein gesamtes berufliches Leben begleitet. Er war immer wieder damit befasst zu untersuchen und zu beurteilen, was Freiheit für das Zusammenleben der Menschen bedeutet. Die Freiheitsrechte sind so grundlegend, dass sie in der Verfassung, dem Grundgesetz verankert sind und das Rechtssystem Deutschlands überhaupt erst begründen. Hans-Jürgen Papier denkt, dass die Deutschen ihre seit der Aufklärung erkämpften Freiheiten nicht leichtfertig verspielen sollten.

Am 26. April 2020 sagte Bundespräsident Wolfgang Schäuble folgenden Satz: „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen, das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.“ Diese Aussage enthält den Kern der Debatten um Lockdown oder Rückkehr zur Normalität. Und darüber hinaus eine entscheidende Frage politischen Handelns in freiheitlich demokratischen verfassten Gesellschaften überhaupt. Nämlich die nach der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel im Hinblick auf die Lösung eines Problems.

Freiheitsbeschränkungen bedürfen einer besonderen Rechtfertigung

Unter den Bedingungen der Pandemie haben sie einige Schwächen des politischen Systems in Deutschland wie unter einem Brennglas gezeigt. In den Parlamenten habe sich die Politiker lange Zeit selbst in der Hauptsache freiwillig aus dem Spiel genommen. Sie haben Entscheidungen, die sie in gemeinsamer Diskussion und Abstimmung hätten treffen müssen, allzu willfährig der Regierung überlassen. Zudem hat eine verfassungsmäßig gar nicht vorgesehene Runde aus Kanzleramt und Ministerpräsidentinnen und -präsidenten Lockdowns und Lockerungen beschlossen.

Jeder staatlicherseits angeordnete Freiheitsbeschränkung bedarf der besonderen Rechtfertigung. Hans-Jürgen Papier fordert die Bürger auf, sich aus der in der Not der Pandemie geborenen, freiheitsbedrohenden Schockstarre allmählich wieder zu lösen. Die Freiheit zu verteidigen wird für die Politik und Gesellschaft zu einer immer wichtigeren Aufgabe – und zu einer wachsenden Herausforderung. Diese geradezu lebenswichtige kulturelle Leistung für den Wert der Freiheit anzuregen und zu befördern ist der Sinn dieses Buches.

Freiheit in Gefahr
Warum unsere Freiheitsrechte bedroht sind und wie wir sie schützen können
Hans-Jürgen Papier
Verlag: Heyne
Gebundene Ausgabe: 287 Seiten, 2. Auflage: 2021
ISBN: 978-3-453-21816-1, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies