Die Wegwerfmentalität greift auch in Beziehungen um sich

Zu einem Markenzeichen der Gesellschaften der Moderne ist das Wegwerfen geworden. Nicht umsonst gibt es den Begriff Wegwerfgesellschaft. Guy Bodenmann erklärt: „Was für das kaputte Radio gilt, gilt auch für die Liebe. Man wirft das Alte weg und besorgt sich etwas Neues. Die Viele-Optionen-Gesellschaft erlaubt dies relativ unkompliziert.“ Zudem ist es häufig einfacher und billiger, sich etwas Neues zu besorgen, als etwas Altes zu reparieren. Das ist der Ausdruck einen modernen Lifestyles, der auch auf Beziehungen übergreift. Häufig ist es einfacher, eine Beziehung zu beenden und eine neue einzugehen, als um sie zu kämpfen und ihr Fürsorge und Pflege angedeihen zu lassen. Damit eine Beziehung als befriedigend erlebt wird, braucht es ein faires Geben und Nehmen. Guy Bodenmann ist Professor für Klinische Psychologie an der Universität Zürich.

Auf Unzufriedenheit folgt oft das schnelle Ende

Die Kosten und der Nutzen müssen sich in einer Beziehung mindesten die Waage halten oder im günstigsten Fall zugunsten von Nutzen verteilt sein. Die meisten Menschen möchten, dass eine Beziehung auf Dauer etwas bringt, sie glücklich macht, Wachstum ermöglicht und sie bereichert. Ist dies objektiv nicht mehr der Fall oder wird dies subjektiv nicht mehr so wahrgenommen, beginnt man die Beziehung zu hinterfragen, empfindet sie als unbefriedigend und verliert die Freude daran. Hat sich die Unzufriedenheit einmal eingestellt, kann es häufig relativ schnell dem Ende entgegengehen.

Viele Menschen denken dann an Alternativen, werfen die alte Liebe weg und hoffen, in einer neuen Beziehung wieder all das zu finden, was sie in der alten verloren haben. Guy Bodenmann stellt fest: „Das stimmt zu Beginn ja häufig auch, doch wird dabei nicht bedacht, dass die neue Partnerschaft den gleichen Gesetzen unterworfen ist und sich nach einiger Zeit meist wieder alles ähnlich präsentiert. Statt aufs Neue zu setzen, wäre es daher häufig ratsam, sich dem Alten und seiner Pflege zu widmen.

Das Internet erleichtert den Seitensprung

Vor allem die Untreue über das Internet hat als Phänomen stark zugenommen. Zweiundvierzig Prozent der verheirateten Partner gehen online eine Affäre ein. Was im Internet beginnt, endet in dreißig Prozent der Fälle auch im realen Leben in einem Seitensprung. Stress begünstigt die virtuelle Untreue, da sie unkompliziert zu allen Tages- und Nachtzeiten, ohne große zeitliche Verpflichtung und ohne besonderen Aufwand getätigt werden kann. Auch wenn man gestresst ist, findet man leicht zwischendurch Zeit, um sich mit einem Chat-Partner auszutauschen oder zu flirten.

Guy Bodenmann findet es sehr bedenklich, dass häufig mehr Zeit mit fremden Menschen im Internet verbracht wird als mit dem Partner: „Dem fremden Partner teilt man sich emotional mit, öffnet sich und lässt ihn an seinem Leben teilhaben, den eigenen Partner lässt man außen vor.“ Wenn es weniger Energie braucht, etwas wegzuwerfen, als etwas zu pflegen und zu reparieren, wird man unter Stress die erste Option wählen. Wegwerfen und Neues versus Pflegen des Alten – diese Überlegungen werden stark durch Stress und Zeitmangel bestimmt. Quelle: „Bevor der Stress uns scheidet“ von Guy Bodenmann

Von Hans Klumbies