Gute Nachrichten haben es schwer. Man sollte sich für sie interessieren. Aber die meisten Menschen ticken so nicht. Weder die Journalisten noch die Leser. Ullrich Fichtner stellt fest: „Es gab und gibt immer wieder Versuche, gedruckte oder digitale Magazine nur mit „good news“ zu füllen, aber sie verkaufen sich nicht. Ich wüsste jedenfalls von keinem, das Erfolg gehabt hätte. Das Gute langweilt uns schnell, das Schlechte reizt uns ohne Ende.“ Also handelt es schlechte Nachrichten im Sekundentakt, und falsche „Framings“, verfehlte Denkmuster führen dazu, dass das World Wide Web die Welt vor allem als einen finsteren Keller zeigt. Die Arbeit der großen Organisationen, welche die härtesten, dicksten Bretter bohren, findet dadurch fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und wird völlig verkannt. Ullrich Fichtner ist Reporter des „Spiegel“ und gehört zu den renommiertesten Journalisten Deutschlands.
Falsche Gewissheiten von anno Tobak werden weiter mit Liebe gepflegt
Die Entwicklung ganzer Länder und Kontinente wird vom Rest der Welt verschlafen, weil sie in die gängige Nachrichtenlogik und Aufmerksamkeitsökonomien nicht passt. Ullrich Fichtner nennt Beispiele: „Dass Afrika insgesamt gerade die ökonomisch am schnellsten wachsende Weltregion ist, in der viele ehedem bettelarme Menschen zu Wohlstand kommen, wird im Rest der Welt kaum zur Kenntnis genommen. Dass am Mekong und am Mississippi große Aktionen gegen die Plastikvermüllung der Ozeane laufen, steht in keiner Zeitung.“
Dass es in Deutschland gelungen ist, den Ausstoß von Treibhausgasen seit 1990 um bereits mehr als 40 Prozent zu reduzieren, ist nur wenigen bekannt. Aber falsche Gewissheiten von anno Tobak werden weiter mit Liebe gepflegt. Ullrich Fichtner erläutert: „Substanzielle Erfolge werden nur im gedehnten Lauf der Zeit nach und nach sichtbar, in der Perspektive von Jahrzehnten, in der Spanne eines Menschenlebens.“ Aber in diesen Zeiträumen kann schier Unglaubliches geschehen.
Das Leben vieler Millionen Menschen wird leichter und besser
Die Welt kommt weiter, Länder schreiten voran, das Leben vieler Millionen Menschen wird leichter und besser, trotz neuer Terrorbewegungen, trotz neuer Kriege, trotz Finanz- und Schuldenkrisen, trotz Inflation, Epidemien, Pandemien. Ullrich Fichtner kritisiert: „Das nicht zu sehen und zu registrieren, zeugt von einem Webfehler der demokratischen Öffentlichkeiten; in Diktaturen stellt man sich ohnehin blind.“ Leider verzerren die zu Urzeiten erworbenen Kompetenzen das Urteil über die heutigen Zeiten und Zustände.
Missstände wirken stets wie mit der Lupe vergrößert, Verbesserungen werden kaum beachtet und wenn, dann sofort für selbstverständlich genommen. Ullrich Fichtner erklärt: „Wenn die Weltgemeinschaft in Montreal und New York historische Verträge über den Arten- und Meeresschutz schließt, feiern wir nicht, sondern gehen sofort zur Tagesordnung über – und schauen besorgt nach vorne.“ Der Mensch ist eine hochentwickelte, rätselhafte Spezies. Er täuscht sich über fast alles und erweitert doch ständig sein Wissen. Quelle: „Geboren für die großen Chancen“ von Ullrich Fichtner
Von Hans Klumbies