Goethe und Schiller beflügelten gegenseitig ihre Kreativität

Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller kamen sich in einer Zeit näher, in der beide Probleme mit dem Schreiben hatte. Andrea Wulf weiß: „Nun aber inspirierten sie sich gegenseitig und produzierten in den folgenden zehn Jahren einige ihrer besten Werke. Sie arbeiteten eng zusammen, forderten einander heraus und redigierten gegenseitig ihre Texte.“ Die Tatsache, dass sie so gegensätzliche Temperamente hatten, beflügelte ihre Kreativität. „Ein jeder konnte dem anderen etwas geben, was ihm fehlte, und etwas dafür empfangen“, erinnerte sich Friedrich Schiller später. Die Begegnung mit Johann Wolfgang von Goethe, erklärte Friedrich Schiller einmal einer Freundin, „sei das wohltätigste Ereignis meines ganzen Lebens“ gewesen. Als Autorin wurde Andrea Wulf mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet, vor allem für ihren Weltbestseller „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ 2016, der in 27 Sprachen übersetzt wurde.

Die Ideale der Französischen Revolution waren mit Blut getränkt

Friedrich Schiller habe ihm „eine zweite Jugend verschafft“, gab Johann Wolfgang von Goethe zu. Andrea Wulf ergänzt: „Zu Beginn des Jahres hatte Goethe versprochen, sich „mit Gewalt an etwas zu heften“, und dieses Etwas war, wie sich zeigte, Schiller.“ Er war zu lange unproduktiv gewesen. Es fühlte sich an wie ein neuer Frühling, meinte Goethe, und überall zeigten sich neue Triebe. In den zwei Jahren zuvor hatte sich Goethe elend und ausgelaugt gefühlt.

Im Frühjahr 1792 hatte Frankreich Preußen und Österreich den Krieg erklärt, und die Brutalität der Massenhinrichtungen während Robespierres Schreckensherrschaft im darauffolgenden Jahr schockierte selbst diejenigen, die den Aufstand von 1789 begrüßt hatten. Andrea Wulf fügt hinzu: „Für viele waren die Ideale der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – jetzt mit Blut getränkt. Goethe war zunehmend desillusioniert.“

Johann Wolfgang von Goethe glaubte an langsame Reformen

Im Gegensatz zu vielen anderen Dichtern und Denkern hatte Johann Wolfgang von Goethe die Französische Revolution nicht freudig begrüßt. Andrea Wulf erklärt: „Er zog die Evolution der Revolution vor – seine politischen Überzeugungen spiegelten seine wissenschaftlichen Ideen wider.“ Mit Blick auf die Entstehung der Erde gab es damals zwei Denkschulen: Die sogenannten „Vulkanisten“ vertraten die Ansicht, dass alles durch katastrophale Ereignisse wie Vulkanausbrüche und Erdbeben entstanden sei.

Ihnen gegenüber standen die „Neptunisten“, die glaubten, dass Wasser und Sedimentablagerung die zentralen Faktoren waren – ein langsamer geologischer Prozess, der nach und nach Berge, Mineralien und Land entstehen ließ. Andrea Wulf stellt fest: „Goethe war Neptunist, und so stellte er sich auch den gesellschaftlichen Wandel vor. Er glaubte an langsame Reformen, nicht an plötzliche Revolten.“ Johann Wolfgang von Goethe hatte den Krieg auch selbst erlebt. Im vorangegangenen Sommer 1793, als Caroline Böhmer auf der Festung Königstein festgehalten wurde, hatte Goethe Herzog Carl August nach Mainz begleitet. Quelle: „Fabelhafte Rebellen“ von Andrea Wulf

Von Hans Klumbies