Das Glück beherrscht zurzeit das Denken vieler Menschen: Bin ich glücklich? Wie kann ich glücklich werden? Warum alle anderen, nur ich nicht? Wilhelm Schmid stellt fest: „Auf die Fragen nicht zu antworten erscheint unmöglich, zumal viele glauben, ohne Glück nicht mehr leben zu können. Es ist eine regelrechte Glückshysterie entstanden, mit der viele sich womöglich noch unglücklicher machen.“ Was aber ist das Glück? Zuallererst ist es, wie so vieles, nichts als ein Wort. Ganz Verschiedenes kann damit gemeint sein, es gibt keine verbindliche, einheitliche Definition. Was darunter zu verstehen ist, legt letztlich das jeweilige Individuum selbst fest. Die Philosophie kann lediglich Hilfestellung bieten, die etwa in einer Auseinanderlegung des Begriffs besteht, fern davon, eine bestimmte Bedeutung zu einzig möglichen zu erklären. Prof. Dr. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin und lehrte bis 2018 Philosophie an der Universität Erfurt.
Wesentlich am Glück ist seine Unverfügbarkeit
Dies erlaubt die je eigene Klärung, um die Frage zu beantworten: Was bedeutet Glück? Wilhelm Schmid erläutert: „Bei genaueren Hinsehen zeigt sich, dass drei Arten des Glücks im Spiel sind, und es könnte sinnvoll sein, sie auseinanderzuhalten.“ Das deutsche Wort „Glück“ rührt vom althochdeutschen „gelücke“ her und hat viel mit dem Schicksal zu tun, das so oder auch anders ausfallen kann. Die Zufälligkeit dieses Glücks prägt den Begriff im Deutschen bis heute.
Im Griechischen war das einst „tyche“, im Lateinischen „fortuna“, erhalten als „fortune“, französisch oder englisch ausgesprochen. Offen ist die Frage, ob es „sinnvolle“ Zufälle gibt. Wilhelm Schmid erklärt: „Wesentlich an diesem Glück ist jedoch seine Unverfügbarkeit. Verfügbar ist lediglich die Haltung, die der Einzelne dem Schicksal und Zufall gegenüber einnimmt.“ Ein Mensch kann sich verschließen oder offen dafür sein. Diese Offenheit scheint das Zufallsglück zu beflügeln.
Glück ist Maximierung von Lust und Minimierung von Schmerz
Es macht gerne dort Station, wo es sich gut aufgehoben fühlt und nicht noch Vorwürfe zu hören bekommt. Wilhelm Schmid weiß: „In moderner Zeit wird der Begriff des Glücks zusehends stärker vom so genannten „Positiven“ bestimmt: vom Angenehmen, von Lüsten, vom Wohlfühlen, von guten Empfindungen.“ Die grundlegende Definition hierzu stammt von Utilitaristen wie Jeremy Bentham im 18. Jahrhundert: Glück ist Maximierung von Lust und Minimierung von Schmerz.
Kaum eine philosophische Auffassung hat sich dermaßen durchgesetzt wie diese. Die moderne Spaß- und Erlebnisgesellschaft ist ohne das Streben nach Glück in diesem Sinne nicht denkbar, das ja seinen Sinn hat, es ist wirklich schön. Wilhelm Schmid fügt hinzu: „Das Wohlfühlglück hat seine Zeit, es hält glückliche Augenblicke bereit, für die das Individuum sich nicht nur offen halten, die es vielmehr auch selbst präparieren kann.“ Jeder kann für sich selbst wissen, was ihm guttut, und die Augenblicke finden, um derentwillen das Leben sich lohnt und die sich nahezu jeden Tag finden lassen. Quelle: „Glück ist wichtig, aber nicht das Wichtigste im Leben“ von Wilhelm Schmid in „Der Geist im Gebirge“ von Konrad Paul Liessmann (Hg.)
Von Hans Klumbies