Gerhard Gleißner stellt die Epochen der Stoa vor

Die ältere Stoa war noch stark von antiken Idealen und vom Kynismus beseelt. Dadurch wirkte sie sittenstreng, wenn sie Bedürfnislosigkeit und Verzicht forderte. Um circa 180 – 150 vor Christus begann die Zeit der mittleren Stoa. Mit dem Schulleiter Panaitios von Rhodos (180 – 110 vor Christus) verlagerte sich der Standort der Philosophie von Griechenland nach Rom und beeinflusste dort die führende Bürgerschicht maßgeblich. Gerhard Gleißner kennt den Grund: „Panaitios lockerte die strengen Regeln der Älteren. Dadurch vergrößerte sich der Anhängerkreis deutlich. Es war nun auch für Stoiker möglich, Gefühle zu zeigen und maßvoll Vermögen und Besitz zu haben.“ Die jüngere Stoa von 50 vor Christus bis 100 nach Christus bildet schließlich den Kern der Lehre, auf den man sich heute meistens bezieht, wenn man vom Stoizismus spricht. Dr. med. Gerhard Gleißner ist seit 2014 als Amtsarzt und Gutachter im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig.

Seneca war durchaus eine schillernde Persönlichkeit

Die gewichtigen und charismatischen Vertreter der jüngeren Stoa waren Seneca, Epiktet und Mark Aurel. Der allmählich fortschreitende Untergang des Römischen Reiches und der unaufhaltsame Aufstieg des Christentums trugen zum Niedergang des Stoizismus ab 200 nach Christus bei. Gerhard Gleißner blickt zurück: „Lucius Annaeus Seneca der Jüngere, lebte von 1 bis 65 nach Christus. Er war Philosoph, Dramatiker, Politiker sowie Erzieher und Berater des Kaisers Nero (37 – 68 nach Christus).“

Man kann Seneca durchaus als schillernde, teilweise widersprüchliche Persönlichkeit bezeichnen. Gerhard Gleißner weiß: „Als Mensch litt Seneca seit seiner Kindheit unter lang andauernden Erstickungsanfällen, sodass im jungen Erwachsenenalter sein Lebensmut sank.“ Möglicherweise war er an Asthma bronchiale oder an einer chronischen Tuberkulose erkrankt. Dennoch nahm Seneca seine Krankheit bestens an und führte ein vielseitiges, spannendes und interessantes Leben.

Seneca war einer der reichsten und mächtigsten Männer seiner Zeit

In seinen zahlreichen Werken war ihm die seelische Gesundheit der Menschen ein besonderes Anliegen. Und er entwickelte eigene psychologische Techniken. Die Motivation dafür ist wahrscheinlich im schwierigen Umgang mit seiner eigenen Gesundheit zu sehen. Martin Gleißner stellt fest: „Seine politische Karriere begann er circa ab 49 nach Christus, als er Erzieher und Berater des Kaisers Nero und zu einem der mächtigsten und reichsten Männer seiner Zeit wurde. Seneca besaß in den Jahren 54 – 58 nach Christus ein Vermögen von 300 Millionen Sesterzen.“

Sein Zögling Nero war einer der umstrittensten Kaiser der römischen Geschichte. Die ältere Geschichtsschreibung urteilte voreingenommen und einseitig über Nero, neuere Autoren belegen dagegen durchaus sehr positive Eigenschaften. Gerhard Gleißner vermutet: „Wahrscheinlich kompensierte Nero in seinen späteren Regierungsjahren seine Schwäche und Übersensibilität durch Grausamkeit.“ Er bezichtigte schließlich auch seinen Berater und Erzieher Seneca der Verschwörung gegen ihn und zwang ihn zur Selbsttötung. Quelle: „Gesund leben mit dem Stoizismus“ von Gerhard Gleißner

Von Hans Klumbies

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